Biographie Georg Büchner (Seite 7)

Um so intensiver widmet er sich nun der Literatur und den Wissenschaften. Über Gutzkow erhält er den Auftrag, zwei historische Dramen von Victor Hugo (Marie Tudor und Lucrèce Borgia) für die mehrbändige Hugo-Ausgabe bei Sauerländer ins Deutsche zu übersetzen – eine Arbeit, die er binnen zwei Monaten erledigt; offensichtlich wird er mit den Werken des französischen Romantikers nicht besonders warm. Im Mai beginnt er parallel dazu mit der Arbeit an der Novelle Lenz; u. a. liefert ihm August Stoeber nun neben anderen Dokumenten auch eine Abschrift von Oberlins Bericht über den Aufenthalt Jakob Michael Reinhold Lenz’ in seinem Elsässer Pfarrhaus. Ist der unglückliche Stürmer und Dränger für Büchner schon seit der Studienzeit eine interessante Gestalt , so hat er nun, im Exil, die nötige Energie, diesem Sujet konkrete Formen zu geben. Besonders reizvoll ist auch der Umstand, dass Lenz als  eine Art ,Nachfolger' Goethes mit der Sesenheimer Pfarrerstochter Friederike Brion eine Verbindung eingegangen ist, deren unglückliches Ende wohl in starkem Maße zu seiner geistigen Verwirrung beiträgt. Allerdings gibt Büchner den Plan auf, diese ,Dreiecksgeschichte' literarisch zu verwerten und beschränkt sich auf eine Novelle, die inhaltlich auf Oberlins Bericht basiert. Gutzkow hat eine Veröffentlichung in der Deutschen Revue in Aussicht gestellt, aber nach dem Vorausverbot des Blattes und Gutzkows Verhaftung sieht Büchner wohl vorerst keine Möglichkeit, den Text erscheinen zu lassen, und legt ihn beiseite. Erst im Januar 1839 gibt Gutzkow, dem eine Abschrift des Manuskripts vorliegt, das fragmentarische, nicht mehr überarbeitete Werk mit dem Untertitel Eine Reliquie von Georg Büchner in der Zeitschrift Telegraph für Deutschland heraus.

Büchner wendet sich danach anderen Projekten zu. Hat er gehofft, als freier Schriftsteller seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, so sieht er nun wohl ein, dass Politik und Publikumsgeschmack Unwägbarkeiten darstellen, die das Ergreifen eines ,Brotberufs' dringend nahelegen. Kurz entschlossen beginnt er im Spätherbst 1835 mit der Arbeit an einer Dissertation über die Schädelnerven der Fische. Den ganzen Winter seziert er vornehmlich die wegen ihres niedrigen Preises und ihres massiven Skeletts besonders geeigneten Flußbarben und schreibt darüber eine Abhandlung, die er im April 1836 beendet.

Jakob Michael Reinhold Lenz (1751 – 1792)
Jakob Michael Reinhold Lenz (1751 – 1792). Anonyme Bleistiftzeichnung

»[...] er zeigte immer großen Verstand und ein ausnehmend teilnehmendes Herz; wenn die Anfälle der Schwermut vorüber waren, schien alles so sicher und er selbst war so liebenswürdig, daß man sich fast ein Gewissen daraus machte ihn zu argwohnen oder zu genieren. Man setze noch das zärtlichste Mitleiden hinzu, daß seine unermeßliche Qual [...] uns einflößen mußte. Denn fürchterlich und höllisch war es was er ausstand [...].«

Johann Friedrich Oberlin: Bericht über Lenz´ Aufenthalt im Steintal, hrsg. v. August Stoeber

»Klein, aber nett von Gestalt, ein allerliebstes Köpfchen, dessen zierlicher Form niedliche etwas abgestumpfte Züge vollkommen entsprachen; blaue Augen, blonde Haare, kurz ein Persönchen, wie mir unter nordischen Jünglingen von Zeit zu Zeit eins begegnet ist; einen sanften, gleichsam vorsichtigen Schritt, eine angenehme, nicht ganz fließende Sprache, und ein Betragen, das zwischen Zurückhaltung und Schüchternheit sich bewegend, einem jungen Manne gar wohl anstand.«

Johann Wolfgang Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit

Jakob Michael Reinhold Lenz (1751 – 1792)
Jakob Michael Reinhold Lenz (1751 – 1792). Anonyme Bleistiftzeichnung

Die in Büchners Dissertation enthaltenen Abbildungen.

Lithographien von F. Hagen