Zitate von und über Leben und Werk von Theodor Fontane


Einem so herrlichen Mann und hohen Kunstgenossen wie Fontane wird man nicht durch 'einige freundliche Zeilen' gerecht.

Wilhelm Raabe.


»'Ich weiß nicht – ich kann seine Romane nicht mehr lesen!' sagt mir der oder jener, den ich nach ihm frage. Wir wollen uns nichts vormachen: sie sind ein wenig verblaßt und verstaubt – diese umständlich sorgsame Art, Dinge zu erzählen, die uns nicht halbwegs so wichtig erscheinen wie einstmals ihm, diese rührend einfach verschlungenen Probleme, die wir nicht etwa überwunden haben (das gibt es gar nicht), sondern die er nicht so tief, so menschlich erschütternd empfunden hat, daß sie uns heute noch fest packen. Seine Tragik ist nicht die unsere [...]«

Kurt Tucholsky: »Der alte Fontane. Zum hundertsten Geburtstag«. In: 'Berliner Tagblatt' vom 25. Dezember 1919


Das Leben ahmt die Kunst weit mehr nach als die Kunst das Leben.

Oscar Wilde


»Der moderne Roman wurde für Deutschland erfunden, verwirklicht, auch gleich vollendet von einem Preußen, Mitglied der französischen Kolonie, Theodor Fontane. Als erster hier hat er wahrgemacht, daß ein Roman das gültige, bleibende Dokument einer Gesellschaft, eines Zeitalters sein kann; daß er soziale Kenntnis gestalten und vermitteln, Leben und Gegenwart bewahren kann noch in einer sehr veränderten Zukunft [...]. Er war, in Skepsis wie in Festigkeit, der wahre Romancier, zu seinen Tagen der einzige seines Ranges.«

Heinrich Mann: »Theodor Fontane, gestorben vor 50 Jahren«. Der Artikel wurde einem Brief an Karl Lemke vom 14. Juli 1948 beigegeben.


»Was war es denn schließlich mit ihm –? Er schrieb seine Bücher und arbeitete – er war einer der gewiegtesten Techniker, die die deutsche Literatur je gehabt hat, ohne daß man Versen und Sätzen ansieht, wie sie gebosselt sind – er schrieb und lebte bescheiden daher. Und das Leben auf der großen Weltbühne rauschte vorbei, umbrauste ihn, und er lächelte. Wer so lächeln kann –!«

Kurt Tucholsky: »Fontane und seine Zeit«. In: 'Berliner Tagblatt' vom 25. Dezember 1919


»Mir persönlich [...] sei das Bekenntnis erlaubt, daß kein Schriftsteller der Vergangenheit oder Gegenwart mir die Sympathie und Dankbarkeit, dies unmittelbare und instinktmäßige Entzücken, diese unmittelbare Erheiterung, Erwärmung, Befriedigung erweckt, die ich bei jedem Vers, jeder Briefzeile, jedem Dialogfetzen von ihm empfinde.«

Thomas Mann: »Der alte Fontane«. In: 'Die Zukunft' 19 (1910)


»Der alte Fontane ist nicht am 20. September 1898 gestorben. Er starb am 1. August 1914. Er wäre heute etwas völlig Unmögliches.«

Kurt Tucholsky: »Fontane und seine Zeit«. In: 'Berliner Tagblatt' vom 25. Dezember 1919


»Sie haben, liebster Fontane, neulich einen Stein zwischen uns geworfen, und ich – mit Ihrer Erlaubnis – habe Sie zu lieb, um meinerseits nicht den Versuch zu machen, ihn aus dem Wege zu bringen. Schon mehrfach hatte ich früher erfahren, und ich meine, ich habe es wenigstens halbwegs gegen Sie ausgesprochen, wie Sie über manches meinem Gefühle nach Unantastbare, z. B. über Verhältnisse zu Ihrer Frau, sich gegen Dritte nicht allein äußerten, sondern auch in einer Weise, die ich anfänglich mit Ihrem edlen getragenen Wesen nicht vereinigen konnte. Ich habe oft darüber gedacht; ich brachte es unwillkürlich mit einer Äußerung über Sie in Verbindung, wo einer, als gesagt wurde: 'Fontane hat eine vornehme Persönlichkeit', erwiderte: 'Nein, er hat die Persönlichkeit eines feinen Schauspielers'. Mißverstehen Sie das nicht; es war nichts Unlauteres dabei.«

Theodor Storm. Brief an Fontane vom 24. Juli 1854


»Fontane schrieb aus dem Milieu des Hohenzollernschen Bürgers von 1880–90, eines fatalen Typus; die ganze Luft dieser Periode steht um ihn. [...] Die Großstadt, die mächtige, anonyme, wuchs, er sah sie nicht [...]. Er landete, wie zu erwarten war, bei der romanhaft angerührten Idylle (die 1914 sehr gestört wurde, November 1918 ein Ende nahm).«

Linke Poot (= Alfred Döblin): »Revue«. In: 'Die Neue Rundschau', Februar 1920


»Dieser märkische Goethe wirkt auf uns so lange nach – nicht als Künstler: denn leicht angestaubt scheinen seine Romane in der Technik, in altbackenen Stellen, die unsere Zähne nicht mehr recht beißen wollen, in der Linienführung und schließlich auch in der Anschauung von Gut und Böse. Wir denken anders, wir werten anders, und wir urteilen anders. Und ein solcher Riesenkerl, daß er uns das vergessen machen könnte, war Fontane nicht.«

Kurt Tucholsky: »Fontane und seine Zeit«. In: 'Berliner Tagblatt' vom 25. Dezember 1919


»Da ging die Tür, und in die Halle Mit schwebendem Gang wie ein junger Gott Trat ein Verspäteter, frei und flott, Grüßt in die Runde mit Feuerblick, Warf in den Nacken das Haupt zurück, Reichte diesem und dem die Hand Und musterte mich jungen Fant Ein bißchen gnädig von oben herab, Daß es einen Stich ins Herz mir gab. Doch: Der ist ein Dichter! wußt ich sofort. Silentium! Lafontaine hats Wort.«

Paul Heyse: »An Theodor Fontane«. Geschrieben zum 30. Dezember 1889. Erschienen in: 'Neue Gedichte und Jugendlieder'.


»Aber er hat wohl zu denen gehört, deren Lebensleistung ins Heldenmäßige wächst, weil sie nie von der Stelle zu kommen meinen; die das Vollkommene erreichen, weil sie ewig das Gefühl des Mißlungenen haben [...].«

Thomas Mann: »Der alte Fontane«. In: 'Die Zukunft' 19 (1910)


»Dieser Autor hat Sicherheit, Kontur und Überlegenheit, er wird mit seinem Thema fertig, er ist innerhalb der deutschen Romaninferiorität eine große Leuchte, er ist vaterländisch, ohne dumm zu sein, er ist märkisch, und trotzdem betreibt er das Geschäft der Musen, aber dies Pläsierliche, das das ganze epische Œuvre durchspinnt, vielmehr: trägt und bindet, entzieht ihm den Rang. Es tritt so sehr hervor in jedem seiner Sätze, in jeder seiner weltanschaulichen und politischen Äußerungen, daß es ganz offenbar für ihn das Mittel war, um zu Ausdruck zu gelangen, das Mittel, mit dem allein er seine märkische Welt erfaßte.«

Gottfried Benn: »Fontane«. In: 'Ausdruckswelt. Essays und Aphorismen'. Wiesbaden 1949


»Was mich an ihm immer wieder bezaubert, das ist sein unerbittlicher und doch diskreter Realismus, die Behutsamkeit seines Griffes, sein nachsichtiges Lächeln, seine liebenswürdige, leicht melancholische Skepsis, seine auch heute noch kaum übertroffene Kunst der Menschendarstellung, die zuletzt doch auf seiner so echten Menschlichkeit beruht.«

Werner Bergengruen. Antwort auf eine Umfrage von Berthold Spangenberg im Jahr 1959. Erschienen in 'Für Fontane'. München 1976


»Fontane zu lesen, und immer wieder zu lesen, ist für mich eine Freude, und ein Glück.«

Georg Britting. Antwort auf eine Umfrage von Berthold Spangenberg im Jahr 1959. Erschienen in 'Für Fontane'. München 1976


»Fontanes zugespitzte Sätze darf man nicht wörtlich nehmen, seine Texte nicht ohne Kontext verstehen wollen. Man darf ihm nicht trauen, dem unsicheren Kantonisten. Gut erzählte Anekdoten sind ihm wichtiger als historische Fakten; dem Reiz unzulässiger Verallgemeinerungen widersteht er selten; und geistreiche Paradoxien zieht er Eindeutigkeiten vor.«

Günter de Bruyn: »Mein Liebling Marwitz oder Die meisten Zitate sind falsch«. In: 'Theodor Fontane'. Sonderband der Reihe text + kritik. Hrsg. v. H. L. Arnold. München 1989


»[...] ein Mann in der Vollblüte der Jahre, hoch aufgeschossen, so hoch und schlank, daß Brust und Schulter fast zu schmal geraten aussahen; ein bleiches langgezogenes Gesicht mit blitzenden, dunkelblauen Augen war umflutet von einer Fülle seidenweichen schwarzen Haares. Die ganze Gestalt so geschmeidig und so vornehm wie die eines englischen Knight of Perrys Relics.«

Felix Dahn: 'Erinnerungen'. Leipzig 1891


»Fontane ist für mich das größte Beispiel der Geduld, des Reifen-Lassens. Er sank tief ein in seine märkische Landschaft; und das genügte ihm. Erst gegen sein sechzigstes Jahr schuf er aus solchem Boden [...] seine besten Menschen. Ein Beispiel für heute, für die Schreibenden, für junge und alte.«

Heimito von Doderer. Antwort auf eine Umfrage von Berthold Spangenberg im Jahr 1959. Erschienen in 'Für Fontane'. München 1976


»Fontane – Effi Briest oder Viele, die eine Ahnung haben von ihren Möglichkeiten und ihren Bedürfnissen und dennoch das herrschende System in ihrem Kopf akzeptieren durch ihre Taten, und es somit festigen und durchaus bestätigen.«

Rainer Werner Fassbinder. Titel und Untertitel seines Films von 1972 – 74


»Unter den deutschen Erzählern der Vergangenheit weiß ich keinen, der mich nach wenigen Sätzen schon so willfährig auf seiner Seite hätte wie Theodor Fontane. Ich glaube nicht, daß seine Zeit abgelaufen ist – sie scheint mir noch nicht begonnen zu haben. Sollten die nachfolgenden Generationen das Lesen nicht verlernen, werden sie auch Fontane für sich 'entdecken'.«

Rudolf Hagelstange. Antwort auf eine Umfrage von Berthold Spangenberg im Jahr 1959. Erschienen in 'Für Fontane'. München 1976


Ja, Effi! Alle Leute sympathisieren mit ihr, und einige gehen so weit, ... den Mann als einen 'alten Ekel' zu bezeichnen. Das amüsiert mich natürlich, gibt mir aber auch zu denken, weil es wieder beweist, wie wenig den Menschen an der sogenannten 'Moral' liegt und wie die liebenswürdigen Naturen allen Menschenherzen sympathischer sind.

Theodor Fontane


»Was war es denn schließlich mit ihm –? Er schrieb seine Bücher und arbeitete – er war einer der gewiegtesten Techniker, die die deutsche Literatur je gehabt hat, ohne daß man Versen und Sätzen ansieht, wie sie gebosselt sind – er schrieb und lebte bescheiden daher. Und das Leben auf der großen Weltbühne rauschte vorbei, umbrauste ihn, und er lächelte. Wer so lächeln kann –!«

Kurt Tucholsky: »Fontane und seine Zeit«. In: 'Berliner Tagblatt' vom 25. Dezember 1919