Biographie Conrad Ferdinand Meyer (Seite 2)

1863 erscheint Meyers erster Lyrikband, doch kann von einem Durchbruch als Schriftsteller noch keine Rede sein: der Band wird anonym unter dem Titel Zwanzig Balladen von einem Schweizer veröffentlicht, wobei Meyer selbst die Kosten des Drucks tragen muss. Das ist auch bei der auf 46 Gedichte erweiterten Ausgabe der Fall, die unter dem Titel Romanzen und Bilder im Jahr 1869, jetzt immerhin schon unter seinem eigenen Namen, erscheinen kann. Um Verwechslungen mit einem bekannten Züricher Zeitgenossen zu vermeiden, setzt Meyer seinem Vornamen den Vornamen des Vaters, Ferdinand, hinzu, womit der klangvolle Name entsteht, unter dem wir den Schriftsteller noch heute kennen.

1868 verlässt Meyer das ihn einengende Zürich und siedelt mit der Schwester nach Küsnacht am Zürichsee über. In dieser Zeit beginnt sein künstlerisches und gesellschaftliches Selbstvertrauen langsam zu wachsen, seine übergroße Schüchternheit wird weniger und seine quälenden Selbstzweifel lassen nach, und es entwickelte sich für das Geschwisterpaar ein intellektuell anregendes geselliges Leben. Der Krieg Preußens gegen Frankreich von 1870/71 bringt für den in zwei Kulturen und zwei Sprachen heimischen Meyer Entscheidungsprobleme, bei denen jedoch sein Zugehörigkeitsgefühl zum deutschen Kulturraum überwiegt: "Auch ich habe meine französischen Sympathien schwer überwunden; aber es mußte in Gottes Namen ein Entschluß gefaßt sein, da voraussichtlich der deutsch-französische Gegensatz Jahrzehnte beherrschen und literarisch jede Mittelstellung unhaltbar machen wird." In einem Brief an Mathilde Wesendonck teilt er sogar mit, dass er, um sich völlig zu "entfranzifieren", alle seine französischen Romane verkauft habe.

Meyers literarischer Erfolg setzt 1872 mit dem Versepos Huttens letzte Tage ein. Der Beschäftigung mit diesem Thema geht eine lange Auseinandersetzung mit der problematischen Gestalt des Bündner Nationalisten Jürg Jenatsch voraus, die jedoch erst später im gleichnamigen Roman ihre künstlerische Bewältigung findet; zu diesem Zeitpunkt bringt die Hinwendung zum erbaulicheren Helden Ulrich von Hutten den kreativen Durchbruch. Den Erfolg seines erzählerischen Erstlingswerks, den der nunmehr 46jährige erfährt, verdankt er nicht zuletzt der patriotischen Thematik, die im nationalistischen Jubel der Jahre nach dem gewonnenen Krieg gegen Frankreich in Deutschland hohe Konjunktur hat.

Bis 1887 arbeitet Meyer nun ununterbrochen an seinem lyrischen Spätwerk und an seiner Erzählprosa. Als erste seiner zehn Novellen erscheint 1873 Novelle Das Amulett, 1876 der Roman Jürg Jenatsch. Ab 1878 erscheinen in schneller Folge seine weiteren Novellen: Der Schuß von der Kanzel (1878), Der Heilige (1879),  Plautus im Nonnenkloster (1881), Gustav Adolfs Page (1882),  Das Leiden eines Knaben (1883),  Die Hochzeit des Mönchs (1884), Die Richterin (1885) und Die Versuchung des Pescara (1887). Mit dem Vorabdruck des Heiligen in der Deutschen Rundschau des renommierten Herausgebers Julius Rodenberg, der auch die meisten der späteren Texte in seine bekannte und vielgelesene Zeitschrift aufnimmt, festigt sich Meyers Ruf als herausragender Erzähler.

Erste Fassung von 'Der Römische Brunnen'
Erste Fassung von 'Der Römische Brunnen' in Meyers Handschrift, ca. 1862
Meyer an seinem Schreibtisch
Meyer an seinem Schreibtisch, um 1892