Ausführliche Biographie Max Frisch (1911 – 1991)
Max Frisch wurde am 15. Mai 1911 in Zürich geboren und starb dort am 4. April 1991. Frisch war ein Schweizer Schriftsteller und Architekt. Innerlich zerrissen, ob er eine künstlerische oder bürgerliche Laufbahn einschlagen sollte, versuchte er sich zuerst als Architekt, eine Arbeit die ihn einige Jahre vereinnahmte. Sein Erfolg mit dem Roman Stiller überzeugte Frisch dann doch eine literarische Karriere zu verfolgen, verließ seine Familie und widmete sich fortan ganz dem Schreiben. Seine gedankliche Auseinandersetzung mit den Problemen des individuellen, postmodernen Menschseins reflektierte er oft in Form eines literarisch ausgestalteten Tagebuchs. Sowohl für seine frühen Werke im Theater, sein erzählendes Werk und seine späteren Dramen erhielt Max Frisch zeitlebens viele Auszeichnungen.
Lebenslauf Max Frisch
Von Brigitte Lotz
Der gebürtige Schweizer Max Frisch zählt neben Friedrich Dürrenmatt nicht nur zu den bekanntesten modernen Schriftstellern seines Heimatlandes, sondern gehört seit den 1940er Jahren auch zu den bedeutendsten Vertretern der deutschsprachigen Literatur. Seine Romane Homo Faber und Stiller sind bis heute fester Bestandteil des gymnasialen Deutschunterrichts. Mit seinem 1950 veröffentlichten Tagebuch 1946–49, das viele als Frischs eigentliches Hauptwerk ansehen, verhilft er der deutschsprachigen Literatur nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zum Anschluss an das europäische Niveau. Im Mittelpunkt seines künstlerischen Interesses steht der Einzelne, das Individuum mit seinem Identitätsproblem, seiner Selbstentfremdung und seiner zwiespältigen gesellschaftlichen Bindung. Diese Hauptthemen präsentierte Frisch durch die Brille eines skeptischen, keinen Konventionen folgenden Humanismus'.
In seinem mehr als 40-jährigen Schaffen entwickelt sich der Schriftsteller zu einem stets unterhaltsamen, aufrichtigen Mahner, der trotz einiger Anfeindungen von außen sowohl im privaten wie im öffentlichen Bereich unbeirrt an seinen Anschauungen festhält. Seine anfangs eher naive Sichtweise auf Politik und auf Literatur und Kunst wandelt sich durch die beständige Auseinandersetzung mit seinem privaten und beruflichen Leben zu politischer Selbständigkeit und Kritikfähigkeit. Doch trotz seines engagierten Auftretens lässt sich Frisch vor keinen Wagen spannen und bleibt zeitlebens ein politischer Einzelkämpfer. Während in seinen Romanen und Dramen der private Mensch deutlich im Vordergrund steht, nimmt der Schriftsteller in seinen Artikeln, Essays und Reden immer wieder Stellung zum aktuellen Zeitgeschehen und setzt sich u. a. mit den Themen Kalter Krieg, Schweizer Asylpolitik und mit der Gastarbeiterproblematik auseinander. Trotz seiner öffentlich gemachten Sympathie für die SPD-Politiker Willy Brandt und Helmut Schmidt ist er weder Parteigänger noch Agitator, sondern versteht sich als kritisch begleitender Intellektueller und aktiver Künstler.
Max Frisch wird am 15. Mai 1911 in Zürich geboren. Er entstammt einer Familie von Einwandererkindern kleinbürgerlicher Herkunft, deren Eltern - Frischs Großeltern - aus wirtschaftlicher Not aus Österreich bzw. Württemberg in die Schweiz gekommen waren. Sein Vater, der sich autodidaktisch zum Architekten ausgebildet hat, muss sich während des Ersten Weltkriegs als kleiner Makler durchschlagen, sodass das Familienleben durch finanzielle Nöte belastet ist. Während Frisch sein Verhältnis zur Mutter als große Nähe empfindet, bezeichnet er seine Beziehung zum Vater als Gefühlslücke. Die Beschäftigung mit Literatur und Kunst wird zunächst durch die große Leidenschaft Fußball verdrängt: der kleine Max will als Erwachsener unbedingt Fußballtorwart werden. Erst mit seinem Eintritt ins Realgymnasium 1924 und mit seiner Freundschaft zu Werner Coninx, einem Sprößling aus einer großbürgerlichen, vermögenden Familie, ändern sich seine Interessen. Er bekommt erste Einblicke in die Welt der Philosophie, in Kunst, Musik und Literatur. Der Schüler schreibt erste Bühnenstücke, die jedoch nicht erhalten sind.
Nach dem Abitur absolviert Frisch eine Rekrutenausbildung in Thun, lehnt die ihm angebotene Offizierslaufbahn jedoch ab. Aus dem Wunsch heraus Schriftsteller zu werden, entscheidet er sich für ein Studium der Germanistik. Obwohl sich dieses schnell als Verlegenheitslösung entpuppt, geben ihm Professoren und Dozenten wie Robert Faesi oder Walter Muschg wichtige Anregungen für seinen weiteren Weg. In den 1930er Jahren vertritt Max Frisch eine eher unpolitische Haltung: Die Literatur und das Literarische bleiben für ihn von der Politik abgehoben. Stattdessen stellt er den Menschen und seine psychische Verfassung, seine Probleme und Eigenarten in den Vordergrund seines Interesses. Als 1932 der Vater unerwartet stirbt, lastet ein enormer Schuldenberg auf der Familie. Aus der finanziellen Notlage heraus bricht der 21-Jährige sein Germanistikstudium ab und bemüht sich darum, als Journalist Fuß zu fassen. Aufbauend auf seine freie Mitarbeit bei der Neuen Züricher Zeitung veröffentlicht er in verschiedenen deutschsprachigen Feuilletons. Es entstehen kleinere Skizzen, Landschaftsbeschreibungen, Buchbesprechungen, aber auch kurze, stark autobiografisch geprägte Erzählungen.
1933 bricht Frisch zu einer ersten größeren Auslandsreise auf, die in u. a. auf den Balkan und nach Griechenland führte. Dieser Reise sollten in den späteren Jahren zahlreiche weitere folgen, denn Frisch diente das Reisen stets als Erweiterung seines Horizonts. So prägen seine Reiseerlebnisse auch seinen ersten Roman. Im Mittelpunkt des 1934 unter dem Titel Jürg Reinhart. Eine sommerliche Schicksalsfahrt erschienenen Werks steht ein junger Schweizer Journalist, der auf Reisen geht. 1936 entscheidet sich Frisch gegen eine dichterische Laufbahn und beginnt mithilfe eines Mäzens ein Architekturstudium, das er 1941 beendet. Im Zuge dieser Wende in seinem Leben verbrennt er nahezu alle bisher verfassten Werke, sodass heute kaum noch etwas aus dieser Zeit überliefert ist. Ganz gibt der Architekturstudent das Schreiben jedoch nicht auf: Während des Krieges entstehen nämlich die Blätter aus dem Brotsack, die sich vorwiegend als Reflexionen über das Soldatenleben präsentieren.
1942 eröffnet Frisch in Zürich ein eigenes Architekturbüro und heiratet Gertrude Anna Constance von Meyenburg. Seine aus einer namhaften großbürgerlichen Familie stammende Ehefrau ermöglicht ihm einen sozialen Karrieresprung. Überhaupt stellt Frisch später diese Phase seines Lebens als bewusste Entscheidung für ein bürgerliches Leben dar, dass es ihm ermöglicht, endlich dazuzugehören. 1943, 1944 und 1949 werden die drei gemeinsamen Kinder geboren. Die Diskrepanz zwischen bürgerlicher und künstlerischer Existenz bleibt jedoch für den Schriftsteller zeitlebens ein prägendes Thema. Bereits 1944 greift er in seinem Roman J’adore ce qui me brûle oder Die Schwierigen diesen Zwiespalt auf. Und auch er selbst beginnt bald mit seinem Leben als Architekt, Ehemann und Familienvater zu hadern. Er nähert sich immer mehr der Künstlerrolle an und nutzt jede freie Minute, um zu schreiben. 1944 wird Santa Cruz veröffentlicht, ein Drama, das ein ausweglos unglückliches Eheleben in den Mittelpunkt stellt. Etwa zur gleichen Zeit erscheint die erste längere Ich-Erzählung Bin oder Die Reise nach Peking. Frischs Kriegsdrama Nun singen sie wieder wird als erstes seiner Theaterstücke 1945 in Zürich uraufgeführt und ist kurz darauf auch in München und Hamburg auf der Bühne zu sehen.
1947 kommt es zur ersten Begegnung mit Bertolt Brecht. Obwohl sich Frischs politische Positionen von denen des orthodoxen Marxisten Brecht um einiges unterschieden, hegt der Schweizer große Bewunderung für die geistige Beweglichkeit seines Kollegen, der für die gesellschaftliche Verantwortung des Schriftstellers steht. Auch wenn Brecht als Vorbild für Frischs weitere literarische Entwicklung gewertet werden kann und sich in dessen Dramen Andorra und Biedermann und die Brandstifter deutliche Brechtspuren zeigen, kann Frisch doch nicht als Brecht-Schüler bezeichnet werden; zu groß ist seine Skepsis gegenüber Brechts Theorie von der gesellschaftsverändernden Wirkung von Theater.
Ab 1950 gilt Max Frisch als einer der wichtigsten Vertreter der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur und wird einer der ersten Autoren des 1950 gegründeten Suhrkamp Verlags. In seinem Tagebuch 1946–1949, das erst mit der Nachauflage 1958 zum großen Erfolg wird, findet Frisch sein Selbstverständnis als Autor. Von der Form her ein spannungsreiches Gefüge aus Fakten und fiktiven Elementen, greift es auf Frischs auf den Auslandsreisen 1946–49 gemachte Erfahrungen zurück. Das Tagebuch setzt sich mit der Verantwortung des Einzelnen auseinander und reflektiert gleichzeitig über die Aufgaben eines Schriftstellers. Außerdem bietet es bereits Entwürfe seiner späteren Arbeiten.
1954 trennt sich Frisch von Ehefrau und Kindern und gibt seinen Architektenberuf endgültig für die Schriftstellerei auf. Sein Roman Stiller machte den Schweizer 1954 überall bekannt. Der drei Jahre später folgende Homo Faber erscheint in zahlreichen Übersetzungen. 1958 wird Frisch als erster nicht in Deutschland lebender Autor mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet. Privat lebt Frisch 1958–1962 mit der Schriftstellerin Ingeborg Bachmann zusammen. Die leidenschaftliche, aber wohl auch zermürbende Beziehung, die Frisch als die wohl wichtigste Erfahrung seines Lebens bezeichnet, hat in den Werken beider Künstler tiefe Spuren hinterlassen. Frischs 1964 erschienener Roman Mein Name sei Gantenbein, der das Scheitern einer Ehe zum Thema hat, kann durchaus als Reflexion auf die Zeit mit Ingeborg Bachmann gewertet werden.
Als Dramatiker bis dahin im Vergleich zu seinen Romanen weniger erfolgreich, schafft Frisch mit seiner Parabel Biedermann und die Brandstifter 1958 den Sprung auf die internationalen Bühnen. Auch Andorra, die 1961 uraufgeführte Parabel um Diskriminierung und ihre Folgen, findet große Beachtung. Allerdings werden beide Stücke in Frischs Augen von Kritik und Publikum missinterpretiert bzw. zur Untermauerung von bestimmten Positionen instrumentalisiert, weshalb sich der Autor von der Form der Parabel abwendet. Als das Dokumentartheater Ende der 1960er Jahre immer weiter an Boden gewinnt, zieht sich Frisch von der Bühne zurück. 1968 heiratet er die 28 Jahre jüngere Marianne Oellers, die Ehe hält elf Jahre. Ab 1972 lebt Frisch vorwiegend in Berlin, wo er u. a. Kontakt pflegt mit Christa und Gerhart Wolf, Jurek Becker und Günther Kunert sowie mit seinen bewährten Freunden Günter Grass und Uwe Johnson.
1975 erscheint Montauk, Frischs autobiografischstes Werk. Seine späten Arbeiten Triptychon, Der Mensch erscheint im Holozän und Blaubart konzentrieren sich auf existentielle Fragestellungen um Alter und Tod und zeigen eine eher resignative und pessimistische Grundstimmung. 1983 kehrt Max Frisch endgültig in die Schweiz zurück. Hier stirbt er am 4. April 1991 kurz vor seinem 80. Geburtstag an einem Krebsleiden.