Interpretation "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910)" von Rainer Maria Rilke

Dieser Roman, den Rilke selbst zumeist als „Prosabuch“ bezeichnet, ist 1910 in zwei Bändchen erschienen und gilt heute als der erste moderne Roman der deutschen Literatur. In 71 Aufzeichnungen beschreibt er in der Ich-Form die Nöte, aber auch einen gewissen Reifungsprozess des in Paris lebenden, mittellosen Dänen Malte und zeichnet dessen Weg der zunehmenden Vereinsamung fragmentarisch nach.

Die Aufzeichnungen beginnen unvermittelt und lakonisch an einem Septembernachmittag im Paris der Jahrhundertwende:

„11. September, Rue Toullier.
So, also hierher kommen die Leute, um zu leben, ich würde eher meinen, es stürbe sich hier.“

Aufbau und äußere Struktur

Die 71 Aufzeichnungen sind in zwei etwa gleich lange Teile (AZ 1-38 und AZ 39-71) unterteilt, die in tagebuchähnlichen Abschnitten sowohl Geschehenes festhalten als auch die Gedanken des Aufzeichners wiedergeben. Anders aber als typische Tagebucheinträge sind die Aufzeichnungen zum einen fast nie mit Datum und/oder Ort versehen und zum anderen nicht immer gedanklich abgeschlossen. Dadurch entstehen vor allem im ersten Teil immer wieder Sequenzen, in denen sich mehrere Aufzeichnungen aufeinander beziehen, nicht unbedingt chronologisch, aber doch thematisch. So folgen von den 12 Aufzeichnungen, die im ersten Teil die Erinnerungen an die Heimat Dänemark beinhalten, zehn direkt aufeinander (AZ 27-37).

Grundsätzlich weisen die Aufzeichnungen drei verschiedene inhaltliche Schwerpunkte auf, nämlich zum einen Erlebnisse aus Maltes Kindheit und Jugend in Dänemark, dann Gedanken und Erlebnisse in der dargestellten Gegenwart Paris und drittens Reflektionen über sonstige Ereignisse und Begebenheiten, teils historisch, teils fiktionalisiert, zum Teil Erlebnisse von anderen, zum Teil Maltes eigene Erlebnisse, die wiederum zum Teil geprägt sind durch besondere Wahrnehmung und assoziative Verknüpfungen Maltes. Auffallend ist, dass gerade diese dritte Kategorie den gesamten zweiten Teil dominiert, statt einer äußeren Handlung, die zunehmend an den Rand gedrängt wird, reflektiert der Text die Innenwelt des Ich-Erzählers.

Seiten