Interpretation "Schach von Wuthenow" von Theodor Fontane

Wie die meisten Romane und Erzählungen Theodor Fontanes beruht auch Schach von Wuthenow auf einer wahren Begebenheit, die vom Autor allerdings stark verändert und völlig seinen künstlerischen Absichten untergeordnet wird. Fontane hört vermutlich im Jahre 1862 zum ersten Mal von der Geschichte des Majors Otto Friedrich Ludwig von Schack, der sich 1815 zur Behebung seiner Finanznöte zur Heirat mit Victoire von Crayen entschließt. Major von Schack ist ein leichtsinniger Lebemann und bekannter Frauenheld, Victoire von Crayen dagegen ein gebildetes und feinfühliges, doch leider nicht sehr schönes Mädchen. Noch bevor es zur Verlobung kommt, bringt sich Major von Schack um, da er den Spott seiner Kameraden fürchtet.

Fontane hat daraus eine Erzählung gemacht, die mit den tatsächlichen Ereignissen nur noch wenig zu tun hat. Zunächst einmal hat er diese in eine andere Zeit verlegt: Die Handlung spielt im Jahre 1806, genauer gesagt beginnt sie Ende April 1806 und endet Mitte September desselben Jahres; den Abschluss bilden zwei Briefe, von denen der erste unmittelbar nach Schachs Tod verfasst ist, der zweite ein knappes Jahr später. Auf den Tag genau einen Monat nach dem Datum des ersten Briefes liegt eines der bedeutsamsten Ereignisse der preußischen Geschichte: Die Schlacht bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806. Diese Schlacht bedeutet nicht nur eine Niederlage Preußens gegenüber Napoleon, sondern weitaus mehr: Die preußische Armee löst sich nach dieser Schlacht auf, die Festungen und Berlin kapitulieren, das Königspaar flieht nach Memel und Preußen wird von Napoleons Truppen besetzt. Es ist nicht nur der Untergang einer Armee, sondern der Untergang einer ganzen Staats- und Gesellschaftsform, denn das Preußen, das sich nach dieser Schlacht wieder konsolidiert (und im Jahr 1813 den Sieg über Napoleon davonträgt), ist nicht mehr das Preußen Friedrichs des Großen, sondern das Preußen pragmatischer Staats- und Militärreformer.

Der Untergang des alten Preußens ist also über den ganzen Roman hinweg präsent, auch wenn die Schlacht und ihre Folgen mit keinem Wort erwähnt werden. Von vornherein steht die Geschichte unter dem Zeichen des nahenden Untergangs; schon der Untertitel "Erzählung aus der Zeit des Regiments Gensdarmes" siedelt die Handlung in einer vergangenen Epoche an: Das Regiment Gensdarmes wird bei Jena und Auerstedt komplett gefangengenommen und nach 1806 nicht wieder aufgestellt.

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