Ungekürztes Werk "Wilhelm Tell" von Friedrich Schiller (Seite 3)
wie hoch der See geht,
Ich kann nicht steuern gegen Sturm und Wellen.
BAUMGARTEN umfaßt seine Knie:
So helf Euch Gott, wie Ihr Euch mein erbarmet –
WERNI: Es geht ums Leben, sei barmherzig, Fährmann.
KUONI: 's ist ein Hausvater, und hat Weib und Kinder!
Wiederholte Donnerschläge.
RUODI: Was? Ich hab auch ein Leben zu verlieren,
Hab Weib und Kind daheim, wie er – Seht hin
Wie's brandet, wie es wogt und Wirbel zieht,
Und alle Wasser aufrührt in der Tiefe.
– Ich wollte gern den Biedermann erretten,
Doch es ist rein unmöglich, ihr seht selbst.
BAUMGARTEN noch auf den Knien:
So muß ich fallen in des Feindes Hand,
Das nahe Rettungsufer im Gesichte!
– Dort liegt's! Ich kann's erreichen mit den Augen
Hinüberdringen kann der Stimme Schall,
Da ist der Kahn, der mich hinübertrüge,
Und muß hier liegen, hülflos, und verzagen!
KUONI: Seht wer da kommt!
WERNI:Es ist der Tell aus Bürglen.
Tell mit der Armbrust.
TELL: Wer ist der Mann, der hier um Hülfe fleht?
KUONI: 's ist ein Alzeller Mann, er hat sein Ehr
Verteidigt, und den Wolfenschieß erschlagen,
Des Königs Burgvogt, der auf Roßberg saß –
Des Landvogts Reiter sind ihm auf den Fersen,
Er fleht den Schiffer um die Überfahrt,
Der fürcht't sich vor dem Sturm und will nicht fahren.
RUODI: Da ist der Tell, er führt das Ruder auch,
Der soll mir's zeugen, ob die Fahrt zu wagen.
TELL: Wo's not tut, Fährmann, läßt sich alles wagen.
Heftige Donnerschläge, der See rauscht auf.
RUODI: Ich soll mich in den Höllenrachen stürzen?
Das täte keiner, der bei Sinnen ist.
TELL: Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt,
Vertrau auf Gott und rette den Bedrängten.
RUODI:
Vom sichern Port läßt sich's gemächlich raten,
Da ist der Kahn und dort der See! Versucht's!
TELL: Der See kann sich, der Landvogt nicht erbarmen,
Versuch es Fährmann!
HIRTEN und JÄGER: Rett ihn! Rett ihn! Rett ihn!
RUODI:
Und wär's mein Bruder und mein leiblich Kind,
Es kann nicht sein, 's ist heut Simons und Judä,
Da rast der See und will sein Opfer haben.
TELL: Mit eitler Rede wird hier nichts geschafft,
Die Stunde dringt, dem Mann muß Hülfe werden.
Sprich, Fährmann, willst du fahren?
RUODI: Nein, nicht ich!
TELL: In Gottes Namen denn! Gib her den Kahn,
Ich will's mit meiner schwachen Kraft versuchen.
KUONI: Ha wackrer Tell!
WERNI: Das gleicht dem Weidgesellen!
BAUMGARTEN:
Mein Retter seid Ihr und mein Engel, Tell!
TELL: Wohl aus des Vogts Gewalt errett ich Euch,
Aus Sturmesnöten muß ein andrer helfen.
Doch besser ist's, Ihr fallt in Gottes Hand,
Als in der Menschen! Zu dem Hirten:
Landsmann, tröstet Ihr
Mein Weib, wenn mir was Menschliches begegnet,
Ich hab getan, was ich nicht lassen konnte.
Er springt in den Kahn.
KUONI zum Fischer:
Ihr seid ein Meister Steuermann. Was sich
Der Tell getraut, das konntet Ihr nicht wagen?
RUODI: Wohl beßre Männer tun's dem Tell nicht nach,
Es gibt nicht zwei, wie der ist, im Gebirge.
WERNI ist auf den Fels gestiegen:
Er stößt schon ab. Gott helf dir, braver Schwimmer!
Sieh, wie das Schifflein auf den Wellen schwankt!
KUONI am Ufer:
Die Flut geht drüber weg – Ich seh's nicht mehr.
Doch halt, da ist es wieder! Kräftiglich
Arbeitet sich der Wackre durch die Brandung.
SEPPI: Des Landvogts Reiter kommen angesprengt.
KUONI: Weiß Gott, sie sind's! das war Hülf in der Not.
Ein Trupp Landenbergischer Reiter.
ERSTER REITER:
Den Mörder gebt heraus, den ihr verborgen.
ZWEITER: Des Wegs kam er, umsonst