Interpretation "Malina" von Ingeborg Bachmann (Seite 2)

Das zweite Kapitel mit seinen Traumsequenzen, in denen eine dritte männliche Figur auftritt, der allmächtige Übervater, der die Tochter tötet, zeigt die Alpträume, denen das weibliche Ich ausgesetzt ist und die seine Welt und sein Leben bestimmen. Das in der Vater-Figur symbolisierte Autoritätsprinzip bekommt mehrere Faktoren zugewiesen: Dieses Ordnungsprinzip, als faschistisches gezeichnet („Der Faschismus ist das erste in der Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau“), zerstört die Tochter, erteilt ihr Sprechverbot, ermordet die Unterdrückten. Trotzdem richten sich libidinöse Wünsche auf diese Vater-Figur, an diesen Stellen rekurriert die Autorin deutlich auf Aspekte des Freudschen Modells der Psychoanalyse. Den Bruch in der gesellschaftlichen Ordnung erlebt das erzählende Ich auch in sich selbst, die Zerrissenheit zwischen zwei Prinzipien, männlich und weiblich, die nicht gleichberechtigt nebeneinander stehen können, weil auch für sie das Herrschaftsverhältnis (Herr-Knecht) gilt. Das Ich, beschädigt durch seine traumatischen Erfahrungen, kann sich keine Identität bewahren. Seine Todesursachen sind fremdbestimmte Rollenbilder, es wird zum Opfer gemacht durch eine destruktive Gewalt, der es nichts entgegensetzen kann. Daher lautet der letzte Satz: „Es war Mord.“

Die Radikalität dieses Ansatzes, der ästhetisch und stilistisch anspruchvoll ist, war der Autorin bewusst: „Es heißt ‚Todesarten’ und es ist für mich eine einzige große Studie aller möglichen Todesarten, ein Kompendium, ein Manuale, wie man hier sagen würde, und zugleich stelle ich mir vor, daß es das Bild der letzten zwanzig Jahre geben könnte, immer mit dem Schauplatz Wien und Österreich.“

Seiten