Ungekürztes Werk "Der hessische Landbote" von Georg Büchner (Seite 8)

Freistaat zu verjüngen. Er hat eine Zeitlang »den Satans-Engeln« Gewalt gegeben, daß sie Deutschland mit Fäusten schlügen, er hat den »Gewaltigen und Fürsten, die in der Finsternis wohnen, den bösen Geistern unter dem Himmel« (Ephes. 6) Gewalt gegeben, daß sie Bürger und Bauern peinigten und ihr Blut aussaugten und ihren Mutwillen trieben mit Allen, die Recht und Freiheit mehr lieben als Unrecht und Knechtschaft. – Aber ihr Maß ist voll!

Sehet an das von Gott gezeichnete Scheusal, den König Ludwig von Baiern, den Gotteslästerer, der redliche Männer vor seinem Bilde niederzuknien zwingt, und die, welche die Wahrheit bezeugen, durch meineidige Richter zum Kerker verurteilen läßt; das Schwein, das sich in allen Lasterpfützen von Italien wälzte, den Wolf, der sich für seinen Baals-Hofstaat für immer jährlich fünf Millionen durch meineidige Landstände verwilligen läßt, und fragt dann: »Ist das eine Obrigkeit von Gott zum Segen verordnet?«

Ha! du wärst Obrigkeit von Gott?

      Gott spendet Segen aus;

Du raubst, du schindest, kerkerst ein,

      Du nicht von Gott, Tyrann!

Ich sage euch: sein und seiner Mitfürsten Maß ist voll. Gott, der Deutschland um seiner Sünden willen geschlagen hat durch diese Fürsten, wird es wieder heilen. »Er wird die Hecken und Dörner niederreißen und auf einem Haufen verbrennen.«

(Jesaias 27,4.) So wenig der Höcker noch wächset, womit Gott diesen König Ludwig gezeichnet hat, so wenig werden die Schandtaten dieser Fürsten noch wachsen können. Ihr Maß ist voll. Der Herr wird ihre Zwingburgen zerschmeißen und in Deutschland wird dann Leben und Kraft, der Segen der Freiheit wieder erblühen. Zu einem großen Leichenfelde haben die Fürsten die deutsche Erde gemacht, wie Ezechiel im 37. Kapitel beschreibt: »Der Herr führte mich auf ein weites Feld, das voller Gebeine lag, und siehe, sie waren sehr verdorrt.« Aber wie lautet des Herrn Wort zu den verdorrten Gebeinen: »Siehe, ich will euch Adern geben und Fleisch lassen über euch wachsen und euch mit Haut überziehen, und will euch Odem geben, daß ihr wieder lebendig werdet, und sollt erfahren, daß ich der Herr bin.« Und des Herren Wort wird auch an Deutschland sich wahrhaftig beweisen! wie der Prophet spricht: »Siehe, es rauschte und regte sich und die Gebeine kamen wieder zusammen, ein jegliches zu seinem Gebein. – Da kam Odem in sie und sie wurden wieder lebendig und richteten sich auf ihre Füße, und ihrer war ein sehr groß Heer.«

Also stehet es ## in Deutschland; eure Gebeine sind verdorrt, denn die Ordnung, in der ihr lebt, ist eitel Schinderei. 6 Millionen bezahlt ihr im Großherzogtum einer Handvoll Leute, deren Willkür euer Leben und Eigentum überlassen ist, und die anderen in dem zerrissenen Deutschland gleich also. Ihr seid nichts, ihr habt nichts! Ihr seid rechtlos. Ihr müsset geben, was Eure unersättlichen Presser fordern, und tragen, was sie euch aufbürden. So weit ein Tyrann blicket – und Deutschland hat deren vierunddreißig – verdorret Land und Volk. Aber wie der Prophet schreibet, so wird es bald stehen in Deutschland: der Tag der Auferstehung wird nicht säumen. In dem Leichenfelde wird sichs regen und wird rauschen und der Neubelebten wird ein großes Heer sein. Dann wird der Hesse dem Thüringer, der Rheinländer dem Schwaben, der Westphale dem Sachsen, der Tyroler dem Baier die Bruderhand reichen. Die besten Männer aller Stämme des großen deutschen Vaterlandes werden, berufen durch die freie Wahl ihrer Mitbürger, im Herzen von Deutschland zu einem großen Reichs- und Volkstage sich versammeln, um da, wo jetzt die babylonische Hure, der Bundestag, nach dem Willen der 34 Götzen Recht und Wahrheit verhöhnet, christlich über Brüder zu regieren. Dann wird statt des Eigenwillens der 34 Götzen der allgemeine Wille, statt der Eigensucht einer Rotte von Götzendienern das allgemeine Wohl im deutschen Vaterlande walten. Dann wird das Joch vom Halse der Bürger und Bauern hinweggenommen und ein Volksgericht über die großen Diebe, die Deutschland landesfürstlich und königlich beraubten, wie über die kleinen Diebe gehalten werden, die bei solchem Umschwung der Dinge sich etwa bereichern wollten vom Eigentum ihrer Brüder. Dann kehren die schuldlos Verbannten in die freie Heimat zurück und der Kerker der schuldlos Gefangenen öffnet sich. Dann blühen Kunst und Wissenschaft im Dienste der Freiheit, dann blühen Kunst und Ackerbau und Gewerbe im Segen der Freiheit, dann bildet sich ein wahrhaft deutsches Bundesheer, in welchem Tapferkeit und nicht Geburt – der Gehorsam der Freiheit und nicht der blinde Gehorsam und hündische Treue die Stufen der Ehre hinanführt.

Hebt die Augen auf und zählt das Häuflein eurer Presser, die nur stark sind durch das Blut, das sie euch aussaugen und durch eure Arme, die ihr ihnen willenlos leihet. Ihrer sind vielleicht 10,000 im Großherzogtum und Eurer sind es 700,000 und so verhält sich die Zahl des Volkes zu seinen Pressern auch im übrigen Deutschland. Wohl drohen sie mit dem Rüstzeug und den Reisigen der Könige, aber ich sage euch: Wer das Schwert erhebt gegen das Volk, der wird durch das Schwert des Volkes umkommen. Deutschland ist jetzt ein Leichenfeld, bald wird es ein Paradies sein. Das deutsche Volk ist ein Leib, ihr seid ein Glied dieses Leibes. Es ist einerlei, wo die Scheinleiche zu zukken anfängt. Wann der Herr euch seine Zeichen gibt durch die Männer, durch welche er die Völker aus der Dienstbarkeit zur Freiheit führt, dann erhebt euch und der ganze Leib wird mit euch aufstehen.

Ihr bücktet euch lange Jahre in den Dornäckern der Knechtschaft, dann schwitzt ihr einen Sommer in Weinberge der Freiheit und werdet frei sein bis ins tausendste Glied.

Ihr wühltet ein langes Leben die Erde auf, dann wühlt ihr euren Tyrannen ein Grab. Ihr bautet die Zwingburgen, dann stürzt ihr sie, und bauet der Freiheit Haus. Dann könnt ihr eure Kinder frei taufen mit dem Wasser des Lebens. Und bis der Herr euch ruft durch seine Boten und Zeichen, wachet und rüstet euch im Geiste und betet ihr selbst und lehrt eure Kinder beten: »Herr, zerbrich den Stecken unserer Treiber und laß dein Reich zu uns kommen, das Reich der Gerechtigkeit. Amen.«

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