Ungekürztes Werk "Aus dem Leben eines Taugenichts" von Joseph von Eichendorff (Seite 56)

rief: »Das Brautpaar soll leben!« Ich wußte gar nicht, was ich von dem Geistlichen und seinem Gerede denken sollte, ich schämte mich aber, wegen der römischen Geschichten, ihm hier vor allen Leuten zu sagen, daß ich selber der verlorene, glückselige Bräutigam sei.

Der Becher ging wieder fleißig in die Runde, der geistliche Herr sprach dabei freundlich mit allen, so daß ihm bald ein jeder gut wurde und am Ende alles fröhlich durcheinandersprach. Auch die Studenten wurden immer redseliger und erzählten von ihren Fahrten im Gebirge, bis sie endlich gar ihre Instrumente holten und lustig zu blasen anfingen. Die kühle Wasserluft strich dabei durch die Zweige der Laube, die Abendsonne vergoldete schon die Wälder und Täler, die schnell an uns vorüberflogen, während die Ufer von den Waldhornsklängen widerhallten. Und als dann der Geistliche von der Musik immer vergnügter wurde und lustige Geschichten aus seiner Jugend erzählte: wie auch er zur Vakanz über Berge und Täler gezogen und oft hungrig und durstig, aber immer fröhlich gewesen und wie eigentlich das ganze Studentenleben eine große Vakanz sei zwischen der engen, düstern Schule und der ernsten Amtsarbeit – da tranken die Studenten noch einmal herum und stimmten dann frisch ein Lied an, daß es weit in die Berge hineinschallte.

 

»Nach Süden nun sich lenken

Die Vöglein allzumal,

Viel Wandrer lustig schwenken

Die Hüt' im Morgenstrahl.

Das sind die Herrn Studenten,

Zum Tor hinaus es geht,

Auf ihren Instrumenten

Sie blasen zum Valet:

Ade in die Läng' und Breite,

O Prag, wir ziehn in die Weite:

Et habeat bonam pacem

Qui sedet post fornacem!

 

Nachts wir durchs Städtlein schweifen,

Die Fenster schimmern weit,

Am Fenster drehn und schleifen

Viel schön geputzte Leut'.

Wir blasen vor den Türen

Und haben Durst genung,

Das kommt vom Musizieren,

Herr Wirt, ein'n frischen Trunk!

Und siehe, über ein kleines

Mit einer Kanne Weines

Venit ex sua domo –

Beatus ille homo!

 

Nun weht schon durch die Wälder

Der kalte Boreas,

Wir streichen durch die Felder,

Von Schnee und Regen naß,

Der Mantel fliegt im Winde,

Zerrissen sind die Schuh',

Da blasen wir geschwinde

Und singen noch dazu:

Beatus ille homo

Qui sedet in sua domo

Et sedet post fornacem

Et habet bonam pacem!«

 

Ich, die Schiffer und das Mädchen, obgleich wir alle kein Latein verstanden, stimmten jedesmal jauchzend in den letzten Vers mit ein, ich aber jauchzte am allervergnügtesten, denn ich sah soeben von fern mein Zollhäuschen und bald darauf auch das Schloß in der Abendsonne über die Bäume hervorkommen.

 

Zehntes Kapitel

 

Das Schiff stieß an das Ufer, wir sprangen schnell ans Land und verteilten uns nun nach allen Seiten im Grü­nen, wie Vögel, wenn das Gebauer plötzlich aufgemacht wird. Der geistliche Herr nahm eiligen Abschied und ging mit großen Schritten nach dem Schlosse zu. Die Studenten dagegen wanderten eifrig nach einem abgelegenen Gebüsch, wo sie noch geschwind ihre Mäntel ausklopfen, sich in dem vorüberfließenden Bache waschen und einer den andern rasieren wollten. Die neue Kammerjungfer endlich ging mit ihrem Kanarienvogel und ihrem Bündel unterm Arm nach dem Wirtshause unter dem Schloßberge, um bei der Frau Wirtin, die ich ihr als eine gute Person rekommandiert hatte, ein besseres Kleid anzulegen, ehe sie sich oben im Schlosse vorstellte. Mir aber leuchtete der schöne Abend recht durchs Herz, und als

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