Ungekürztes Werk "Das Schloss Dürande" von Joseph von Eichendorff (Seite 24)

spät, laß mich und rette dich, nur schnell!« Dann setzte sie leiser hinzu: »Und grüße auch das schöne Fräulein in Paris und betet für mich, wenn's euch wohl geht.«

Der Graf aber, in tiefster Seele bewegt, hatte sie schon fest in beide Arme genommen und bedeckte den bleichen Mund mit glühenden Küssen. Da wand sie sich schnell los. »Mein Gott, liebst du mich denn noch, ich meinte, du freitest um das Fräulein?« sagte sie voll Erstaunen, die großen Augen fragend zu ihm aufgeschlagen. Ihm war's auf einmal, wie in den Himmel hineinzusehen. »Die Zeit fliegt heut entsetzlich«, rief er aus, »dich liebte ich immerdar, da nimm den Ring und meine Hand auf ewig, und so verlass' mich Gott, wenn ich je von dir lasse!« Gabriele, von Überraschung und Freude verwirrt, wollte niederknien, aber sie taumelte und mußte sich an der Wand festhalten. Da bemerkte er erst mit Schrecken, daß sie verwundet war. Ganz außer sich riß er sein Tuch vom Halse, suchte eilig mit Fahne, Hemd und Kleidern das Blut zu stillen, das auf einmal unaufhaltsam aus vielen Wunden zu quellen schien. In steigender, unsäglicher Todesangst blickte er nach Hülfe ringsumher, schon näherten sich verworrene Stimmen, er wußte nicht, ob es Freund oder Feind. Sie hatte währenddes den Kopf müde an seine Schulter gelehnt. »Mir flimmert's so schön vor den Augen«, sagte sie, »wie dazumal, als du durchs tiefe Abendrot noch zu mir kamst; nun ist ja alles, alles wieder gut.«

Da pfiff plötzlich eine Kugel durch das Fenster herein. »Das war der Renald!« rief der Graf, sich nach der Brust greifend; er fühlte den Tod im Herzen. Gabriele fuhr hastig auf. »Wie ist dir?« fragte sie erschrocken. Aber der Graf, ohne zu antworten, faßte heftig nach seinem Degen. Das Gesindel war leise durch den Gang herangeschlichen, auf einmal sah er sich in der Halle von bewaffneten Männern umringt. »Gute Nacht, mein liebes Weib!« rief er da; und mit letzter, übermenschlicher Gewalt das von der Fahne verhüllte Mädchen auf den linken Arm schwingend, bahnt' er sich eine Gasse durch die Plünderer, die ihn nicht kannten und verblüfft von beiden Seiten vor dem Wütenden zurückwichen. So hieb er sich durch die offene Tür glücklich ins Freie hinaus, keiner wagte ihm aufs Feld zu folgen, wo sie in den schwankenden Schatten der Bäume einen heimlichen Hinterhalt besorgten.

Draußen aber rauschten die Wälder so kühl. »Hörst du die Hochzeitsglocken gehn?« sagte der Graf; »ich spür' schon Morgenluft.« Gabriele konnte nicht mehr sprechen, aber sie sah ihn still und selig an. Immer ferner und leiser verhallten unterdes schon die Stimmen vom Schlosse her, der Graf wankte verblutend, sein steinernes Wappenschild lag zertrümmert im hohen Gras, dort stürzt' er tot neben Gabrielen zusammen. Sie atmeten nicht mehr, aber der Himmel funkelte von Sternen, und der Mond schien prächtig über das Jägerhaus und die einsamen Gründe; es war, als zögen Engel singend durch die schöne Nacht.

Dort wurden die Leichen von Nicolo gefunden, der vor Ungeduld schon mehrmals die Runde um das Haus gemacht hatte. Er lud beide mit dem

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