Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 216)

solchen hübschen Brief von einer hübschen jungen Frau. Noch dazu Schwiegertochter. Ja, Engelke, so geht’s; nich zu glauben. Und da hättest du vorhin den Buchfinken sehen sollen, wie mich der ansah. Bloß als du kamst, da flog er weg; er muß sich vor dir gegrault haben.«

»Ach, gnäd’ger Herr, vor mir grault sich keine Kreatur.«

»Will dir’s glauben. Und du sollst sehn, heute haben wir ’nen guten Tag, und es kommt auch noch wer, an dem man sich freuen kann. Wie mir schlecht war, da kam Koseleger und die Prinzessin. Aber heute kam ein Buchfink. Und ich bin ganz sicher, der hat noch ein Gefolge.«

Dubslavs Ahnungen behielten recht; und als der Nachmittag da war, kam Lorenzen, der sich, seitdem der Alte seinen Katzenpfötchentee trank, nur selten und immer bloß flüchtig hatte sehen lassen. Aber das war rein zufällig und sollte nicht eine Mißbilligung darüber ausdrücken, daß sich der Alte bei der Buschen in die Kur gegeben.

»Nun endlich«, empfing ihn Dubslav, als Lorenzen eintrat. »Wo bleiben Sie? Da heißt es immer, wir Junker wären kleine Könige. Ja, wer’s glaubt! Alle kleinen Könige haben ein Cortège, das sich in Huldigungen und Purzelbäumen überschlägt. Aber von solchem Gefolge habe ich noch nicht viel gesehen. Baruch ist freilich hier gewesen und dann Koseleger und dann die Prinzessin, aber der, der so halb ex officio kommen sollte, der kommt nicht und schickt höchstens mal die Kulicke oder die EIfriede mit ’ner Anfrage. Sterben und verderben kann man. Und das heißt dann Seelsorge.«

Lorenzen lächelte. »Herr von Stechlin, Ihre Seele macht mir, trotz dieser meiner Vernachlässigung, keine Sorge, denn sie zählt zu denen, die jeder Spezialempfehlung entbehren können. Lassen Sie mich sehr menschlich, ja für einen Pfarrer beinah lästerlich sprechen. Aber ich muß es. Ich lebe nämlich der Überzeugung, der liebe Gott, wenn es mal soweit ist, freut sich, Sie wiederzusehen. Ich sage, wenn es soweit ist. Aber es ist noch nicht soweit.«

»Ich weiß nicht, Lorenzen, ob Sie recht haben. Jedenfalls aber befind’ ich mich in meinem derzeitig erträglichen Zustande nur mit Hilfe der Buschen, und ob mich das nach oben hin besonders empfehlen kann, ist mir zweifelhaft. Aber lassen wir die heikle Frage. Erzählen Sie mir lieber etwas recht Hübsches und Heiteres, auch wenn es nebenher etwas ganz Altes ist, etwa das, was man früher Miszellen nannte. Das ist mir immer das liebste gewesen und ist es noch. Was ich da so in den Zeitungen lese, voran das Politische, das weiß ich schon immer alles, und was ich von Engelke höre, das weiß ich auch. Beiläufig – natürlich nur vom alleregoistischsten Zeitungsleserstandpunkt aus – ein wahres Glück, daß es Unglücksfälle gibt, sonst hätte man von der Zeitungslektüre so gut wie gar nichts. Aber Sie, Sie lesen auch sonst noch allerlei, mitunter sogar Gutes (freilich nur selten), und haben ein wundervolles Gedächtnis für Räubergeschichten und Anekdoten aus allen fünf Weltteilen. Außerdem sind Sie Fridericus-Rex-Mann, was ich Ihnen eigentlich am höchsten anrechne, denn die Fridericus-Rex-Leute, die haben alle Herz und Verstand auf dem rechten Fleck. Also suchen Sie nach irgendwas

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