Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 232)
meiner Füße.«
»Zu Befehl, Herr Major.«
»Ja, Uncke, wollte Gott, es stünde besser. Immer denk’ ich, wenn wieder ein Neuer kommt, ›nu wird es‹. Aber es will nicht mehr; es hilft immer bloß drei Tage. Die Buschen hilft nicht mehr, und Krippenstapel hilft nicht mehr, und Sponholz hilft schon lange nicht mehr; der kutschiert so in der Welt rum. Bleibt also bloß noch der liebe Gott.«
Uncke begleitete dies Wort mit einer Kopfbewegung, die seine respektvolle Stellung (aber doch auch nicht mehr) zum lieben Gott ausdrücken sollte. Dubslav sah es und erheiterte sich. Dann fuhr er in rasch wachsender guter Laune fort: »Ja, Uncke, wir haben so manchen Tag miteinander gelebt. Denke gern daran zurück – sind noch einer von den Alten. Und der Pyterke auch. Was macht er denn?«
»Ah, Herr Major, immer noch tüchtig da; schneidig«, und dabei rückte er sich selbst zurecht, wie wenn er die überlegene Stattlichkeit seines Kollegen wenigstens andeuten wolle.
Dubslav verstand es auch so und sagte: »Ja, der Pyterke; natürlich immer hoch zu Roß. Und Sie, Uncke, ja, Sie müssen laufen wie’n Landbriefträger. Es hat aber auch sein Gutes; zu Fuß macht geschmeidig, zu Pferde macht steif. Und macht auch faul. Und überhaupt, Gebrüder Beeneke is schon immer das Beste. Da kann man nicht zu Fall kommen. Aber jeder will heutzutage hoch raus. Das is, was sie jetzt die ›Signatur der Zeit‹ nennen. Haben Sie den Ausdruck schon gehört, Uncke?«
»Zu Befehl, Herr Major.«
»Und die Sozialdemokratie will auch hoch raus und so zu Pferde sitzen wie Pyterke, bloß noch viel höher. Aber das geht nicht gleich so. Gut Ding will Weile haben. Und Torgelow, wenn er auch vielleicht reden kann, reiten kann er noch lange nicht. Sagen Sie, was macht er denn eigentlich? Ich meine Torgelow. Sind denn unsre kleinen Leute jetzt mehr zufrieden mit ihm?«
»Nein, Herr Major, sie sind immer noch nicht zufrieden mit ihm. Er wollte da neulich in Berlin reden und hat auch wirklich was zu Graf Posadowsky gesagt. Und das is so dumm gewesen, daß es die andern geniert hat. Und da haben sie ihn bedeutet: ›Torgelow, nu bist du still; so geht das hier nich.‹«
»Ja«, lachte Dubslav, »und wo der nu steht, da sollte ich eigentlich stehen. Aber es is doch besser so. Nu kann Torgelow zeigen, daß er nichts kann. Und die andern auch. Und wenn sie’s alle gezeigt haben, na, dann sind wir vielleicht wieder dran und kommen noch mal obenauf, und jeder kriegt Zulage. Sie auch, Uncke, und Pyterke natürlich auch.«
Uncke schmunzelte und legte seine zwei Dienstfinger an die Schläfe.
»... Vorläufig aber müssen wir abwarten und den sogenannten ›Ausbruch‹ verhüten und dafür sorgen, daß unsere Globsower zufrieden sind. Und wenn wir klug sind, glückt es vielleicht auch. Glauben Sie nicht auch, Uncke, daß es kleine Mittel gibt?«
»Zu Befehl, Herr Major, kleine Mittel gibt es. Es hat’s schon.«
»Und welche meinen Sie?«
»Musik, Herr Major, und verlängerte Polizeistunde.«
»Ja«, lachte Dubslav, »so was hilft. Musik und ’nen Schottschen, dann sind die Mädchen zufrieden.«
»Und«, bestätigte Uncke, »wenn die Mädchens zufrieden sind, Herr Major, dann sind alle