Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 31)

daß man sich sein Glück verreden kann, wenn man zu früh oder zu viel davon spricht.«

»Brav, brav. Das gefällt mir. So ist es. Wir sind immer von neidischen und boshaften Wesen mit Fuchsschwänzen und Fledermausflügeln umstellt, und wenn wir renommieren oder sicher tun, dann lachen sie. Und wenn sie erst lachen, dann sind wir schon so gut wie verloren. Mit unsrer eignen Kraft ist nichts getan, ich habe nicht den Grashalm sicher, den ich hier ausreiße. Demut, Demut ... Aber trotzdem komm’ ich dir mit der naiven Frage (denn man widerspricht sich in einem fort), ist es was Vornehmes, was Pikfeines?«

»Pikfein, Papa, will ich nicht sagen. Aber vornehm gewiß.«

»Na, das freut mich. Falsche Vornehmheit ist mir ein Greuel; aber richtige Vornehmheit – à la bonne heure. Sage mal, vielleicht was vom Hofe?«

»Nein, Papa.«

»Na, desto besser. Aber da kommen ja die Herren. Der Rex sieht wirklich verdeubelt gut aus, ganz das, was wir früher einen Garde-Assessor nannten. Und fromm, sagst du, – wird also wohl Karriere machen; ›fromm‹ is wie ’ne untergelegte Hand.«

Während dieser Worte stiegen Rex und Czako die Stufen zum Garten hinunter und begrüßten den Alten. Er erkundigte sich nach ihren nächtlichen Schicksalen, freute sich, daß sie »durchgeschlafen« hätten, und nahm dann Czakos Arm, um vom Garten her auf die Veranda, wo Engelke mittlerweile unter der großen Markise den Frühstückstisch hergerichtet hatte, zurückzukehren. »Darf ich bitten, Herr von Rex.« Und er wies auf einen Gartenstuhl, ihm gerade gegenüber, während Woldemar und Czako links und rechts neben ihm Platz nahmen. »Ich habe neuerdings den Tee eingeführt, das heißt nicht obligatorisch; im Gegenteil, ich persönlich bleibe lieber bei Kaffee, ›schwarz wie der Teufel, süß wie die Sünde, heiß wie die Hölle‹, wie bereits Talleyrand gesagt haben soll. Aber, Pardon, daß ich Sie mit so was überhaupt noch belästige. Schon mein Vater sagte mal: ›Ja, wir auf dem Lande, wir haben immer noch die alten Wiener Kongreßwitze.‹ Und das ist nun schon wieder ein Menschenalter her.«

»Ach, diese alten Kongreßwitze«, sagte Rex verbindlich, »ich möchte mir die Bemerkung erlauben, Herr Major, daß diese alten Witze besser sind als die neuen. Und kann auch kaum anders sein. Denn wer waren denn die Verfasser von damals? Talleyrand, den Sie schon genannt haben, und Wilhelm von Humboldt und Friedrich Gentz und ihresgleichen. Ich glaube, daß das Metier seitdem sehr herabgestiegen ist.«

»Ja, herabgestiegen ist alles, und es steigt immer weiter nach unten. Das ist, was man neue Zeit nennt, immer weiter runter. Und mein Pastor, den Sie ja gestern abend kennengelernt haben, der behauptet sogar, das sei das Wahre, das sei das, was man Kultur nenne, daß immer weiter nach unten gestiegen würde. Die aristokratische Welt habe abgewirtschaftet, und nun komme die demokratische ...«

»Sonderbare Worte für einen Geistlichen«, sagte Rex, »für einen Mann, der doch die durch Gott gegebenen Ordnungen kennen sollte.«

Dubslav lachte. »Ja, das bestreitet er Ihnen. Und ich muß bekennen, es hat manches für sich, trotzdem es mir nicht recht paßt. Im übrigen, wir werden ihn, ich meine den Pastor, ja wohl noch beim zweiten

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