Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 52)

aber doch mit viel Rittersporn drin. Und zu jedem Rittersporn gehört eine Stiftsdame.«

»Nein, Czako, nicht so. Sagen Sie mir ganz ernsthaft, ob Sie solche Gärten leiden können.«

»Ich kann solche Gärten eigentlich nur leiden, wenn sie eine Kegelbahn haben. Und dieser hier ist wie geschaffen dazu, lang und schmal. Alle unsre modernen Kegelbahnen sind zu kurz, wie früher alle Betten zu kurz waren. Wenn die Kugel aufsetzt, ist sie auch schon da, und der Bengel unten schreit einen an mit seinem ›acht um den König‹. Für mich fängt das Vergnügen erst an, wenn das Brett lang ist und man der Kugel anmerkt, sie möchte links oder rechts abirren, aber die eingeborene Gewalt zwingt sie zum Ausharren, zum Bleiben auf der rechten Bahn. Es hat was Symbolisches oder Pädagogisches oder meinetwegen auch Politisches.«

Unter diesem Gespräche waren sie, ganz nach unten hin, bis an die Stelle gekommen, wo der nachbarliche Pflaumenbaum seinen Zweig über den Zaun wegstreckte. Neben dem Zaun aber, in gleicher Linie mit ihm, stand eine grüngestrichene Bank, auf der, von dem Gezweig überdacht, eine Dame saß mit einem kleinen runden Hut und einer Adlerfeder. Als sich die Herrschaften ihr näherten, erhob sie sich und schritt auf die Domina zu, dieser die Hand zu küssen; zugleich verneigte sie sich gegen die drei Herren.

»Erlauben Sie mir«, sagte Adelheid, »Sie mit meiner lieben Freundin, Fräulein von Schmargendorf, bekannt zu machen. Hauptmann von Czako, Ministerialassessor von Rex ... Meinen Neffen, liebe Schmargendorf, kennen Sie ja.«

Adelheid, als sie so vorgestellt hatte, zog ihre kleine Uhr aus dem Gürtel hervor und sagte: »Wir haben noch zehn Minuten. Wenn es Ihnen recht ist, bleiben wir noch in Gottes freier Natur. Woldemar, führe meine liebe Freundin, oder lieber Sie, Herr Hauptmann, – Fräulein von Schmargendorf wird ohnehin Ihre Tischdame sein.«

Das Fräulein von Schmargendorf war klein und rundlich, einige vierzig Jahre alt, von kurzem Hals und wenig Taille. Von den sieben Schönheiten, über die jede Evas­tochter Verfügung haben soll, hatte sie soweit sich ihr »Kredit« feststellen ließ, nur die Büste. Sie war sich dessen denn auch bewußt und trug immer dunkle Tuchkleider mit einem Sammetbesatz oberhalb der Taille. Dieser Besatz bestand aus drei Dreiecken, deren Spitze nach unten lief. Sie war immer fidel, zunächst aus glücklicher Naturanlage, dann aber auch, weil sie mal gehört hatte: Fidelität erhalte jung. Ihr lag daran, jung zu sein, obwohl sie keinen rechten Nutzen mehr daraus ziehen konnte. Benachbarte Adlige gab es nicht, der Pastor war natürlich verheiratet und Fix auch. Und weiter nach unten ging es nicht.

Adelheid und Rex waren meist weit voraus, so daß man sich immer erst an der Glaskugel traf, wenn das voranschreitende Paar schon wieder auf dem Rückwege war. Czako grüßte dann jedesmal militärisch zur Domina hinüber.

Diese selbst war in einem Gespräch mit Rex fest engagiert und verhandelte mit ihm über ein bedrohliches Wachsen des Sektiererwesens. Rex fühlte sich davon getroffen, da er selbst auf dem Punkte stand, Irvingianer zu werden; er war aber Lebemann genug, um sich schnell zurechtzufinden und vor allem auf jede nachhaltige Bekämpfung der von

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