Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 10)

auf Requisiten ein Ahnungsvermögen, wie’s nicht größer gedacht werden kann. Das Püppchen pour moi, das Testament pour vous.«

»Czako, wenn Sie doch bloß das Necken lassen könnten!«

»Ach, sagen Sie doch so was nicht, Rex; Sie lieben mich ja bloß um meiner Neckereien willen.«

Und nun traten sie, von dem Vorderzimmer her, in den etwas kleineren Wohnraum, in dem Spiegel und Toilette fehlten. Dafür aber war ein Rokokosofa da, mit hellblauem Atlas und weißen Blumen darauf.

»Ja, Rex«, sagte Czako, »wie teilen wir nun? Ich denke, Sie nehmen nebenan den Himmel, und ich nehme das Rokokosofa, noch dazu mit weißen Blumen, vielleicht Lilien. Ich wette, das kleine Ding von Sofa hat eine Geschichte.«

»Rokoko hat immer eine Geschichte«, bestätigte Rex. »Aber hundert Jahr zurück. Was jetzt hier haust, sieht mir, Gott sei Dank, nicht danach aus. Ein bißchen Spuk trau’ ich diesem alten Kasten allerdings schon zu; aber keine Rokokogeschichte. Rokoko ist doch immer unsittlich. Wie gefällt Ihnen übrigens der Alte?«

»Vorzüglich. Ich hätte nicht gedacht, daß unser Freund Woldemar solchen famosen Alten haben könnte.«

»Das klingt ja beinah«, sagte Rex, »wie wenn Sie gegen unsern Stechlin etwas hätten.«

»Was durchaus nicht der Fall ist. Unser Stechlin ist der beste Kerl von der Welt, und wenn ich das verdammte Wort nicht haßte, würd’ ich ihn sogar einen ›perfekten Gentleman‹ nennen müssen. Aber ...«

»Nun ...«

»Aber er paßt doch nicht recht an seine Stelle.«

»An welche?«

»In sein Regiment.«

»Aber, Czako, ich verstehe Sie nicht. Er ist ja brillant angeschrieben. Liebling bei jedem. Der Oberst hält große Stücke von ihm, und die Prinzen machen ihm beinah den Hof ...«

»Ja, das ist es ja eben. Die Prinzen, die Prinzen.«

»Was denn, wie denn?«

»Ach, das ist eine lange Geschichte, viel zu lang, um sie hier vor Tisch noch auszukramen. Denn es ist bereits halb, und wir müssen uns eilen. Übrigens trifft es viele, nicht bloß unsern Stechlin.«

»Immer dunkler, immer rätselvoller«, sagte Rex.

»Nun, vielleicht daß ich Ihnen das Rätsel löse. Schließlich kann man ja Toilette machen und noch seinen Diskurs daneben haben. ›Die Prinzen machen ihm den Hof‹, so geruhten Sie zu bemerken, und ich antwortete: ›Ja, das ist es eben.‹ Und diese Worte kann ich Ihnen nur wiederholen. Die Prinzen – ja, damit hängt es zusammen und noch mehr damit, daß die feinen Regimenter immer feiner werden. Kucken Sie sich mal die alten Ranglisten an, das heißt wirklich alte, voriges Jahrhundert und dann so bis anno sechs. Da finden Sie bei Regiment Garde du Corps oder bei Regiment Gensdarmes unsere guten alten Namen: Marwitz, Wakenitz, Kracht, Löschebrand, Bredow, Rochow, höchstens daß sich mal ein höher betitelter Schlesischer mit hinein verirrt. Natürlich gab es auch Prinzen damals, aber der Adel gab den Ton an, und die paar Prinzen mußten noch froh sein, wenn sie nicht störten. Damit ist es nun aber, seit wir Kaiser und Reich sind, total vorbei. Natürlich sprech’ ich nicht von der Provinz, nicht von Litauen und Masuren, sondern von der Garde, von den Regimentern unter den Augen Seiner Majestät. Und nun gar erst diese Gardedragoner! Die waren immer piek, aber seit sie, pour

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