Ungekürztes Werk "Irrungen, Wirrungen" von Theodor Fontane (Seite 84)

so beschloß er denn die damalige Zusage sofort wahr zu machen. »Rollkrug und Mittag und pralle Sonne – die reine Reise nach Mittelafrika. Aber die gute Alte soll ihren Kranz haben.«

Und gleich danach nahm er Degen und Mütze und machte sich auf den Weg.

An der Ecke war ein Droschkenstand, freilich nur ein kleiner, und so kam es, daß trotz der Inschrifttafel »Halteplatz für drei Droschken« immer nur der Platz und höchst selten eine Droschke da war. So war es auch heute wieder, was mit Rücksicht auf die Mittagsstunde (wo die Droschken überall, als ob die Erde sie verschlänge, zu verschwinden pflegen) an diesem ohnehin nur auf ein Pflichtteil gesetzten Halteplatz kaum überraschen konnte. Botho ging also weiter, bis ihm, in Nähe der Van-der-Heydt-Brücke, ein ziemlich klappriges Gefährt entgegenkam, hellgrün mit rotem Plüsch­sitz und einem Schimmel davor. Der Schimmel schlich nur so hin, und Rienäcker konnte sich angesichts der »Tour«, die dem armen Tiere bevorstand, eines wehmütigen Lächelns nicht erwehren. Aber so weit er auch das Auge schicken mochte, nichts Besseres war in Sicht, und so trat er denn an den Kutscher heran und sagte: »Nach dem Rollkrug. Jakobikirchhof.«

»Zu Befehl, Herr Baron.«

»… aber unterwegs müssen wir halten. Ich will nämlich noch einen Kranz kaufen.«

»Zu Befehl, Herr Baron.«

Botho war einigermaßen verwundert über die mit so viel Promptheit wiederkehrende Titulatur und sagte deshalb: »Kennen Sie mich?«

»Zu Befehl, Herr Baron. Baron Rienäcker, Landgrafenstraße. Dicht bei’n Halteplatz. Hab’ Ihnen schon öfter gefahren.«

Bei diesem Gespräche war Botho eingestiegen, gewillt, sich’s in der Plüschecke nach Möglichkeit bequem zu machen, er gab es aber bald wieder auf, denn die Ecke war heiß wie ein Ofen.

Rienäcker hatte den hübschen und herzerquickenden Zug aller märkischen Edelleute, mit Personen aus dem Volke gern zu plaudern, lieber als mit »Gebildeten«, und begann denn auch ohne weiteres, während sie im Halbschatten der jungen Kanalbäume dahinfuhren: »Is das eine Hitze! Ihr Schimmel wird sich auch nicht gefreut haben, wenn er ›Rollkrug‹ gehört hat.«

»Na, Rollkrug geht noch; Rollkrug geht noch von wegen der Heide. Wenn er da durchkommt un die Fichten riecht, freut er sich immer. Er is nämlich von’s Land … Oder vielleicht is es auch die Musike. Wenigstens spitzt er immer die Ohren.«

»So, so«, sagte Botho. »Bloß nach tanzen sieht er mir nicht aus … Aber wo werden wir denn den Kranz kaufen? Ich möchte nicht gern ohne Kranz auf den Kirchhof kommen.«

»O damit is noch Zeit, Herr Baron. Wenn erst die Kirchhofsgegend kommt, von’s Hallsche Tor an un die ganze Pionierstraße runter.«

»Ja, ja, Sie haben recht; ich entsinne mich …«

»Un nachher, bis dicht an den Kirchhof ran, hat’s ihrer auch noch.«

Botho lächelte. »Sie sind wohl ein Schlesier?«

»Ja«, sagte der Kutscher. »Die meisten sind. Aber ich bin schon lange hier und eigentlich ein halber Richtiger-Berliner.«

»Und ’s geht Ihnen gut?«

»Na, von gut is nu woll keine Rede nich. Es kost’t allens zu viel un soll immer von’s Beste sein. Und der Haber is teuer. Aber das ginge noch, wenn man bloß sonst nichts passierte. Passieren tut aber immer was, heute bricht ’ne Achse, un

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