Ungekürztes Werk "Irrungen, Wirrungen" von Theodor Fontane (Seite 95)

Baron, wann i das Glück hätt’ und der Herr Gemoahl wär’, i würd’ mi kein’ drei Tag’ von solch ane Frau trenne.« Woran sie dann Klagen über die gesamte Männerwelt, aber im selben Augenblick auch eine dringende Einladung nach Wien knüpfte. »Wir hoab’n a nett’s Häusl kei Stund von Wian und a paar Reitpferd und a Küch’. In Preußen hoaben s’ die Schul’, und in Wian hoaben wir die Küch’. Und i weiß halt nit, was i vorzieh’.«

»Ich weiß es«, sagte Käthe, »und ich glaube, Botho auch.«

Damit trennte man sich, und unser junges Paar stieg in einen offenen Wagen, nachdem Ordre gegeben war, das Gepäck nachzuschicken. Käthe warf sich zurück und stemmte den kleinen Fuß gegen den Rücksitz, auf dem ein Riesenbouquet, die letzte Huldigung der von der reizenden Berliner Dame ganz entzückten Schlangenbader Hauswirtin, lag. Käthe selbst nahm Bothos Arm und schmiegte sich an ihn, aber auf wenig Augenblicke nur, dann richtete sie sich wieder auf und sagte, während sie mit dem Sonnenschirm das immer aufs neue herunterfallende Bouquet festhielt: »Es ist doch eigentlich reizend hier, all die Menschen und die vielen Spreekähne, die vor Enge nicht ein noch aus wissen. Und so wenig Staub. Ich find’ es doch einen rechten Segen, daß sie jetzt sprengen und alles unter Wasser setzen; freilich lange Kleider darf man dabei nicht tragen. Und sieh nur den Brotwagen da mit dem vorgespannten Hund. Es ist doch zu komisch. Nur der Kanal … Ich weiß nicht, er ist immer noch so …«

»Ja«, lachte Botho, »er ist immer noch so. Vier Wochen Julihitze haben ihn nicht verbessern können.«

Sie fuhren unter den jungen Bäumen hin, Käthe riß ein Lindenblatt ab, nahm’s in die hohle Hand und schlug drauf, daß es knallte. »So machten wir’s immer zu Haus. Und in Schlangenbad, wenn wir nichts Besseres zu tun hatten, haben wir’s auch so gemacht und alle die Spielereien aus der Kinderzeit wieder aufgenommen. Kannst du dir’s denken, ich hänge ganz ernsthaft an solchen Torheiten und bin doch eigentlich eine alte Person und habe abgeschlossen.«

»Aber Käthe …«

»Ja, ja, Matrone, du wirst es sehn … Aber sieh doch nur, Botho, da ist ja noch der Staketenzaun und das alte Weißbierlokal mit dem komischen und etwas unanständigen Namen, über den wir in der Pension immer so schrecklich gelacht haben. Ich dachte, das Lokal wäre längst eingegangen. Aber so was lassen sich die Berliner nicht nehmen, so was hält sich; alles muß nur einen sonderbaren Namen haben, über den sie sich amüsieren können.«

Botho schwankte zwischen Glücklichsein und Anflug von Verstimmung. »Ich finde, du bist ganz unverändert, Käthe.«

»Gewiß bin ich. Und warum sollt’ ich auch verändert sein? Ich bin ja nicht nach Schlangenbad geschickt worden, um mich zu verändern, wenigstens nicht in meinem Charakter und meiner Unterhaltung. Und ob ich mich sonst verändert habe? Nun, cher ami, nous verrons.«

»Matrone?«

Sie hielt ihm den Finger auf den Mund und schlug den Reiseschleier wieder zurück, der ihr halb über das Gesicht gefallen war, gleich danach aber passierten sie den Potsdamer Bahnviadukt, über dessen Eisengebälk eben ein Kurierzug

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