Ungekürztes Werk "Schach von Wuthenow" von Theodor Fontane (Seite 81)

da. Der Krieg ist erklärt. Und was das bedeutet, steht in aller Deutlichkeit vor meiner Seele. Wir werden an derselben Welt des Scheins zugrunde gehen, an der Schach zugrunde gegangen ist. Ihr Bülow.

Nachschrift. Dohna (früher bei der Garde du Corps), mit dem ich eben über die Schachsche Sache gesprochen habe, hat eine Lesart, die mich an frühere Nostitzsche Mitteilungen erinnerte. Schach habe die Mutter geliebt, was ihn, in einer Ehe mit der Tochter, in seltsam peinliche Herzenskonflikte geführt haben würde. Schreiben Sie mir doch darüber. Ich persönlich find es pikant, aber nicht zutreffend. Schachs Eitelkeit hat ihn zeitlebens bei voller Herzenskühle erhalten, und seine Vorstellungen von Ehre (hier ausnahmsweise die richtige) würden ihn außerdem, wenn er die Ehe mit der Tochter wirklich geschlossen hätte, vor jedem faux pas gesichert haben. B.

21

Victoire von Schach an Lisette von Perbandt

Rom, 18. August 1807. Ma chère Lisette.

Daß ich Dir sagen könnte, wie gerührt ich war über so liebe Zeilen! Aus dem Elend des Krieges, aus Kränkungen und Verlusten heraus, hast Du mich mit Zeichen alter, unveränderter Freundschaft überschüttet und mir meine Versäumnisse nicht zum Üblen gedeutet.

Mama wollte mehr als einmal schreiben, aber ich selber bat sie, damit zu warten.

Ach, meine teure Lisette, Du nimmst teil an meinem Schicksal und glaubst, der Zeitpunkt sei nun da, mich gegen Dich auszusprechen. Und Du hast recht. Ich will es tun, so gut ich's kann.

“Wie sich das alles erklärt?” fragst Du und setzest hinzu: “Du stündest vor einem Rätsel, das sich Dir nicht lösen wolle.” Meine liebe Lisette, wie lösen sich die Rätsel? Nie. Ein Rest von Dunklem und Unaufgeklärtem bleibt, und in die letzten und geheimsten Triebfedern andrer oder auch nur unsrer eignen Handlungsweise hineinzublicken, ist uns versagt. Er sei, so versichern die Leute, der schöne Schach gewesen, und ich, das Mindeste zu sagen, die nicht-schöne Victoire – das habe den Spott herausgefordert, und diesem Spotte Trotz zu bieten, dazu habe er nicht die Kraft gehabt. Und so sei er denn aus Furcht vor dem Leben in den Tod gegangen.

So sagt die Welt, und in vielem wird es zutreffen. Schrieb er mir doch Ähnliches und verklagte sich darüber. Aber wie die Welt strenger gewesen ist, als nötig, so vielleicht auch er selbst. Ich seh es in einem andern Licht. Er wußte sehr wohl, daß aller Spott der Welt schließlich erlahmt und erlischt, und war im übrigen auch Manns genug, diesen Spott zu bekämpfen, im Fall er nicht erlahmen und nicht erlöschen wollte. Nein, er fürchtete sich nicht vor diesem Kampf, oder wenigstens nicht so, wie vermutet wird; aber eine kluge Stimme, die die Stimme seiner eigensten und innersten Natur war, rief ihm beständig zu, daß er diesen Kampf umsonst kämpfen, und daß er, wenn auch siegreich gegen die Welt, nicht siegreich gegen sich selber sein würde. Das war es. Er gehörte durchaus, und mehr als irgendwer, den ich kennengelernt habe, zu den Männern, die nicht für die Ehe geschaffen sind. Ich erzählte Dir schon, bei früherer Gelegenheit, von einem Ausfluge nach Tempelhof, der überhaupt in

Seiten