Ungekürztes Werk "Unterm Birnbaum" von Theodor Fontane (Seite 33)
stürmischen Novembernacht, von ihrer Küchentür aus beobachtet hatte. Hradscheck habe lang da gestanden, ein flackrig Licht in der Hand. »Un wihr binoah so, as ob he wull, dat man em seihn sull.« Und dann hab er einen Spaten genommen und sei bis an den Birnbaum gegangen. Und da hab er ein Loch gegraben. An der Gartentür aber habe was gestanden wie ein Koffer oder Korb oder eine Kiste. Was? das habe sie nicht genau sehen können. Und dann hab er das Loch wieder zugeschüttet.
Geelhaar, der sich bis dahin, allem Diensteifer zum Trotz, ebensosehr mit Line wie mit Hradscheck beschäftigt hatte, ja, vielleicht mehr noch Courmacher als Beamter gewesen war, war unter diesem Bericht sehr ernsthaft geworden und sagte, während er mit Wichtigkeitsmiene seinen gedunsenen Kopf hin und her wiegte: »Ja, Mutter Jeschke, das tut mir leid. Aber es wird Euch Ungelegenheiten machen.«
»Wat? wat, Geelhaar?«
»Ungelegenheiten, weil Ihr damit so spät herauskommt.«
»Joa, Geelhaar, wat sall dat? wat mienens mit ›to spät?‹ Et hett mi joa keener nich froagt. Un Se ook nich. Un wat weet ick denn ok? Ick weet joa nix. Ick weet joa joar nix.«
»Ihr wißt genug, Mutter Jeschke.«
»Nei, nei, Geelhaar. Ick weet joar nix.«
»Das ist gerade genug, daß einer nachts in seinem Garten ein Loch gräbt und wieder zuschüttet.«
»Joa, Geelhaar, ick weet nich, awers jed´ een möt doch in sien ejen Goarden en Loch buddeln könn´.«
»Freilich. Aber nicht um Mitternacht und nicht bei solchem Wetter.«
»Na, rieden´s mi man nich rin. Und moaken Se´t good mit mi … Line, Line, segg doch ook wat.«
Und wirklich, Line trat infolge dieser Aufforderung an den Gendarmen heran und sagte, tief aufatmend, wie wenn sie mit einer plötzlichen und mächtigen Sinnenerregung zu kämpfen hätte: »Laß nur, Mutter Jeschke. Herr Geelhaar wird schon wissen, was er zu tun hat. Und wir werden es auch wissen. Das versteht sich doch von selbst. Nicht wahr, Herr Geelhaar?«
Dieser nickte zutraulich und sagte mit plötzlich verändertem und wieder freundlicher werdendem Tone: »Werde schon machen, Mamsell Line. Schulze Woytasch läßt ja, Gott sei Dank, mit sich reden und Vowinkel auch. Hauptsach´ is, daß wir den Fuchs überhaupt ins Eisen kriegen. Un is dann am Ende gleich, wann wir ihn haben, und ob ihm der Balg heut oder morgen abgezogen wird.«
Elftes Kapitel
Vierundzwanzig Stunden später kam – und zwar auf die Meldung hin, die Geelhaar, gleich nach seinem Gespräche mit der Jeschke, bei der Behörde gemacht hatte – von Küstrin her ein offener Wagen, in dem außer dem Kutscher der Justizrat und Hradscheck saßen. Die Luft ging scharf, und die Sonne blendete, weshalb Vowinkel, um sich gegen beides zu schützen, seinen Mantel aufgeklappt, der Kutscher aber seinen Kopf bis an Nas´ und Ohren in den Pelzkragen hineingezogen hatte. Nur Hradscheck saß frei da, Luft und Licht, deren er seit länger als vier Wochen entbehrt hatte, gierig einsaugend. Der Wagen fuhr auf der Dammhöhe, von der aus sich das untenliegende Dorf bequem überblicken und beinah jedes einzelne Haus in aller Deutlichkeit erkennen ließ. Das da, mit dem schwarzen, teergestrichenen Gebälk, war das