Ungekürztes Werk "Unterm Birnbaum" von Theodor Fontane (Seite 36)
ist erst im zehnten Jahr in diesem Dorf. Das alles ist jetzt erwiesen. Trotz alledem bleiben ein paar dunkle Punkte, worüber Aufklärung gegeben werden muß. Ich lebe der Zuversicht, daß es an dieser Aufklärung nicht fehlen wird, aber ehe sie gegeben ist, darf ich Sie, Herr Hradscheck, nicht aus der Untersuchung entlassen. Es wird sich dabei, was ich als eine weitere Hoffnung hier ausspreche, nur noch um Stunden und höchstens um Tage handeln.«
Und damit nahm er Kunickes Arm und ging in die Weinstube zurück, woselbst er nunmehr, in Gesellschaft von Woytasch und den Gerichtsmännern, dem für ihn servierten Frühstücke tapfer zusprach. Auch Hradscheck ward aufgefordert, sich zu setzen und einen Imbiß zu nehmen. Er lehnte jedoch ab und sagte, daß er mit seiner Mahlzeit lieber warten wolle, bis er im Küstriner Gefängnis sei.
So waren seine Worte.
Und diese Worte gefielen den Bauern ungemein. »Er will nicht an seinem eigenen Tisch zu Gaste sitzen und das Brot, das er gebacken, nicht als Gnadenbrot essen. Da hat er recht. Das möcht ich auch nicht.«
So hieß es, und so dachten die meisten.
Aber freilich nicht alle.
Gendarm Geelhaar ging an dem Zaun entlang, über den, samt anderem Weibervolk, auch Mutter Jeschke weggeguckt hatte. Natürlich auch Line.
Geelhaar tippte dieser mit dem Finger auf den Dutt und sagte: »Nu Line, was macht der Zopf?«
»Meiner?« lachte diese. »Hörens, Herr Gendarm, jetzt kommt Ihrer an die Reih´.«
»Wird so schlimm nicht werden, Lineken … Und Mutter Jeschke, was sagt die dazu?«
»Joa, wat sall se seggen? He is nu wedder rut. Awers he kümmt ook woll wedder rin.«
Zwölftes Kapitel
Eine Woche war vergangen, in der die Tschechiner viel erlebt hatten. Das Wichtigste war: Hradscheck, nachdem er noch ein Küstriner Schlußverhör durchgemacht hatte, war wieder da. Schlicht und unbefangen, ohne Lücken und Widersprüche, waren die Dunkelheiten aufgeklärt worden, so daß an seiner Unschuld nicht länger zu zweifeln war. Es seien ihm, so hieß es in seiner vor Vowinkel gemachten Aussage, durch Unachtsamkeit, deren er sich selber zu zeihen habe, mehrere große Speckseiten verdorben, und diese möglichst unbemerkt im Garten zu vergraben, hab er an jenem Tage vorgehabt. Er sei denn auch, gleich nachdem seine Gäste die Weinstube verlassen hätten, ans Werk gegangen und habe, genau so wie´s die Jeschke gesehen und erzählt, an dem alten Birnbaum ein Loch zu graben versucht; als er aber erkannt habe, daß da was verscharrt liege, ja, dem Anscheine nach ein Toter, hab ihn eine furchtbare Angst gepackt, infolge deren er nicht weiter gegraben, sondern das Loch rasch wieder zugeschüttet habe. Der Koffer, den die Jeschke gesehen haben wolle, das seien eben jene Speckseiten gewesen, die dicht übereinandergepackt an der Gartentür gelegen hätten. »Aber wozu die Heimlichkeit und die Nacht?« hatte Vowinkel nach dieser Erklärung etwas spitz gefragt, worauf Hradscheck, in seiner Erzählung fortfahrend, ohne Verlegenheit und Unruhe geantwortet hatte: »Zu dieser Heimlichkeit seien für ihn zwei Gründe gewesen. Erstens habe er sich die Vorwürfe seiner Frau, die nur zu geneigt sei, von seiner Unachtsamkeit in Geschäftsdingen zu sprechen, ersparen wollen. Und er dürfe wohl hinzusetzen, wer verheiratet