Ungekürztes Werk "Unterm Birnbaum" von Theodor Fontane (Seite 43)

ein Unglück.«

So vor sich hinsprechend, war er, den Blick zu Boden gerichtet, schon ein paarmal in dem Mittelgang auf und ab geschritten. Als er jetzt wieder aufsah, sah er, daß die Jeschke hinter dem Himbeerzaune stand und ein paar verspätete Beeren pflückte.

»Die alte Hexe. Sie lauert wieder.«

Aber trotz alledem ging er auf sie zu, gab ihr die Hand und sagte: »Nu, Mutter Jeschke, wie geht´s? Lange nicht gesehen. Auch Einquartierung?«

»Nei, Hradscheck.«

»Oder is Line wieder da?«

»Nei, Lineken ook nich. De is joa jitzt in Küstrin.«

»Bei wem denn?«

»Bi School-Inspekters. Un doa will se nich weg … Hüren´s, Hradscheck, ick glöw, de School-Inspekters sinn ook man so … Awers wat hebben Se denn? Se sehn joa ganz geel ut … Un hier so ´ne Falt. Oh, Se möten sich nich ärgern, Hradscheck.«

»Ja, Mutter Jeschke, das sagen Sie wohl. Aber man muß sich ärgern. Da sind nun die jungen Offiziere. Na, die gehn bald wieder und sind auch am Ende so schlimm nicht und eigentlich nette Herrchen und immer fidel. Aber der Ede, dieser Ede! Da hat der Junge gestern wieder ein halbes Faß Öl auslaufen lassen. Das ist doch über den Spaß. Wo soll man denn das Geld schließlich hernehmen? Und dann die Plackerei treppauf, treppab, und die schmalen Kellerstufen halb abgerutscht. Es ist zum Halsbrechen.«

»Na, Se hebben joa doch nu Buggenhagen bi sich. De künn joa doch ne nije Treppe moaken.«

»Ach, der, der. Mit dem ist auch nichts; ärgert mich auch. Sollte mir da den Keller höher legen. Aber er will nicht und hat allerhand Ausreden. Oder vielleicht versteht er´s auch nicht. Ich werde mal den Küstriner Maurermeister kommen lassen, der jetzt an den Kasematten herumflickt. Kasematten und Keller ist ja beinah dasselbe. Der muß Rat schaffen. Und bald. Denn der Keller ist eigentlich gar kein richtiger Keller; is blos ein Loch, wo man sich den Kopf stößt.«

»Joa, joa. De Wienstuw sitt em to sihr upp´n Nacken.«

»Freilich. Und die ganze Geschichte hat nicht Luft und nicht Licht. Und warum nicht? Weil kein richtiges Fenster da ist. Alles zu klein und zu niedrig. Alles zu dicht zusammen.«

»Woll, woll«, stimmte die Jeschke zu. »Jott, ick weet noch, as de Polsche hier wihr und dat Licht ümmer so blinzeln deiht. Joa, wo wihr dat Licht? Wihr et in de Stuw o´r wihr et in´n Keller? Ich weet et nich.«

Alles klang so pfiffig und hämisch, und es lag offen zutage, daß sie sich an ihres Nachbarn Verlegenheit weiden wollte. Diesmal aber hatte sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht, und die Verlegenheit blieb schließlich auf ihrer Seite. War doch Hradscheck seit langem schon Willens, ihr gegenüber bei sich bietender Gelegenheit mal einen anderen Ton anzuschlagen. Und so sah er sie denn jetzt mit seinen durchdringenden Augen scharf an und sagte, sie plötzlich in der dritten Person anredend: »Jeschken, ich weiß, wo sie hin will. Aber weiß sie denn auch, was eine Verleumdungsanklage ist? Ich erfahre alles, was sie so herumschwatzt; aber seh sie sich vor, sonst kriegt sie´s mit dem Küstriner Gericht zu tun; sie ist

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