Johann Wolfgang Goethe / Bilder

Goethe
Johann Gottfried Herder. Gemälde von Friedrich August Tischbein, 1795

»Gleich unten an der Treppe fand ich einen Mann, der eben auch hinaufzusteigen im Begriff war und den ich für einen Geistlichen halten konnte. Sein gepudertes Haar war in eine runde Locke aufgesteckt, das schwarze Kleid bezeichnete ihn gleichfalls, mehr noch aber ein langer schwarzer seidner Mantel, dessen Ende er zusammengenommen und in die Tasche gesteckt hatte. [...] Er hatte etwas Weiches in seinem Betragen, das sehr schicklich und anständig war, ohne daß es eigentlich adrett gewesen wäre. Ein rundes Gesicht, eine bedeutende Stirn, eine etwas stumpfe Nase, einen etwas aufgeworfenen, aber höchst individuell angenehmen, liebenswürdigen Mund. Unter schwarzen Augenbrauen ein Paar kohlrabenschwarze Augen, die ihre Wirkung nicht verfehlten, obgleich das eine rot und entzündet zu sein pflegte.«

‘Dichtung und Wahrheit’, 2. Teil, 10. Buch

Goethe
Radierung von Daniel Nikolaus Chodowiecki zur zitierten Szene in Jung-Stillings Buch.

»Unter den neuen Ankömmlingen befand sich ein Mann, der mich besonders interessierte; er hieß Jung und ist derselbe, der nachher unter dem Namen Stilling zuerst bekannt geworden. Seine Gestalt, ungeachtet einer veralteten Kleidungsart, hatte, bei einer gewissen Derbheit, etwas Zartes. Eine Haarbeutel-Perücke entstellte nicht sein bedeutendes und geselliges Gesicht. Seine Stimme war sanft, ohne weich und schwach zu sein, ja sie wurde wohltönend und stark, sobald er in Eifer geriet, welches sehr leicht geschah. Wenn man ihn näher kennenlernte, so fand man an ihm einen gesunden Menschenverstand, der auf dem Gemüt ruhte und sich deswegen von Neigungen und Leidenschaften bestimmen ließ, und aus eben diesem Gemüt entsprang ein Enthusiasmus für das Gute, Wahre, Rechte in möglichster Reinheit.«

‘Dichtung und Wahrheit’, 2. Teil, 9. Buch

»Besonders kam einer mit großen hellen Augen, prachtvoller Stirn, und hellem Wuchs, muthig ins Zimmer. Dieser zog Herrn Troosts und Stillings Augen auf sich; ersterer sagte gegen letzteren: das muß ein vortrefflicher Mann seyn. Sie wurden gewahr, daß man diesen ausgezeichneten Menschen Herr Göthe nannte.«

Johann Heinrich Jung-Stilling: ‘Heinrich Stillings Jugend, Jünglingsjahre und Wanderschaft’ (1777-78)

Goethe
Vermutliches Bildnis der Friederike Brion (anonym)

»In diesem Augenblick trat sie wirklich in die Tür; und da ging fürwahr an diesem ländlichen Himmel ein allerliebster Stern auf. Beide Töchter trugen sich noch deutsch, wie man es zu nennen pflegte, und diese fast verdrängte Nationaltracht kleidete Friederiken besonders gut. Ein kurzes, weißes, rundes Röckchen mit einer Falbel, nicht länger, als daß die nettsten Füßchen bis an die Knöchel sichtbar blieben; ein knappes weißes Mieder und eine schwarze Taftschürze – so stand sie auf der Grenze zwischen Bäuerin und Städterin. Schlank und leicht, als wenn sie nichts an sich zu tragen hätte, schritt sie, und beinahe schien für die gewaltigen blonden Zöpfe des niedlichen Köpfchens der Hals zu zart. Aus heiteren blauen Augen blickte sie sehr deutlich umher, und das artige Stumpfnäschen forschte so frei in die Luft, als wenn es in der Welt keine Sorge geben könnte; der Strohhut hing ihr am Arm, und so hatte ich das Vergnügen, sie beim ersten Blick auf einmal in ihrer ganzen Anmut und Lieblichkeit zu sehn und zu erkennen.«

‘Dichtung und Wahrheit’, 2. Teil, 10. Buch

Goethe
Charlotte Kestner, geb. Buff (1753 – 1828) Pastellgemälde von Johann Heinrich Schröder, 1782 (links) Aus dem Titelkupfer zur ‘Werther’-Ausgabe von 1775 von D. Berger nach Daniel Nikolaus Chodowiecki

Goethe
Titelseite der Erstausgabe, 1774 (links) Titelkupfer zur ‘Werther’-Ausgabe von 1775 von D. Berger nach Daniel Nikolaus Chodowiecki

Goethe
»Die Werther-Leserin«. Tuschezeichnung von J. A. Nothnagel

»Weiß nicht, ob’s ’n Geschicht’ oder’n Gedicht ist; aber ganz natürlich geht’s her, und weiß einem die Tränen recht aus’m Kopf herauszuholen.« Matthias Claudius in ‘Der deutsche, sonst Wandsbecker Bothe’, 22. Oktober 1774 »Jede Leserin nehme sie in einer der glücklichen stillen Stunden in die Hand, wenn die Ebbe der Seele wieder Flut geworden ist. Die Geschichte davon ist so einfach und natürlich, als eine sein kann; nicht Roman, sondern allein Darstellung der Leiden des jungen Werthers aus seinem ganzen Wesen bis aus dem Mittelpunkte des Herzens heraus.« Johann Jakob Wilhelm Heinse in ‘Iris. Vierteljahrsschrift für Frauenzimmer’, Dezember 1774 »Als ich das Buch zum erstenmal gelesen, voll von dem süßen Tumult, den es in meiner Brust erregt, lief ich herum und pries es allen meinen Freunden an. Das erste Exemplar, das ich hatte (ein Geschenk des Verfassers) verehrte ich demjenigen Frauenzimmer das ich unter allen meinen Bekannten am höchsten schätzte [...].«

Jakob Michael Reinhold Lenz: ‘Briefe über die Moralität der Leiden des jungen Werthers’, 1775

Goethe
»Prometheus erwehrt sich des Adlers« Zeichnung Goethes (Bleistift, Feder, Tusche), vermutlich erst nach 1787 (links) ‘Prometheus’ blieb über Jahre ein brisanter Text. Friedrich Heinrich Jacobi legte seiner Abhandlung ‘Über die Lehre des Spinoza’ (Breslau 1785) – ohne Rückfrage bei Goethe – dessen ‘Prometheus’ bei und schickte die abgebildete »Nachricht« voran.