Ungekürztes Werk "Egmont" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 4)

Jetter: Da mag doch auch was dran sein. Ich sagt’s immer selbst und grübelte so über die Sache nach. Mir ist’s lang im Kopf herumgegangen.

Buyck: Es läuft ihnen auch alles Volk nach.

Soest: Das glaub ich, wo man was Guts hören kann und was Neues.

Jetter: Und was ist’s denn nun? Man kann ja einen jeden predigen lassen nach seiner Weise.

Buyck: Frisch, ihr Herrn! Über dem Kannegießern vergeßt ihr den Wein und Oranien.

Jetter: Den nicht zu vergessen. Das ist ein rechter Wall: wenn man nur an ihn denkt, meint man gleich, man könnte sich hinter ihn verstecken, und der Teufel brächte einen nicht hervor. Hoch! Wilhelm von Oranien hoch!

Alle: Hoch! hoch!

Soest: Nun, Alter, bring auch deine Gesundheit.

Ruysum: Alte Soldaten! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!

Buyck: Bravo, Alter! Alle Soldaten! Es lebe der Krieg!

Jetter: Krieg! Krieg! Wißt ihr auch, was ihr ruft? Daß es euch leicht vom Munde geht, ist wohl natürlich; wie lumpig aber unsereinem dabei zumute ist, kann ich nicht sagen. Das ganze Jahr das Getrommel zu hören; und nichts zu hören, als wie da ein Haufen gezogen kommt und dort ein andrer, wie sie über einen Hügel kamen und bei einer Mühle hielten, wieviel da geblieben sind, wieviel dort und wie sie sich drängen und einer gewinnt, der andre verliert, ohne daß man sein Tage begreift, wer was gewinnt oder verliert. Wie eine Stadt eingenommen wird, die Bürger ermordet werden und wie es den armen Weibern, den unschuldigen Kindern ergeht. Das ist eine Not und Angst, man denkt jeden Augenblick: Da kommen sie! Es geht uns auch so.

Soest: Drum muß auch ein Bürger immer in Waffen geübt sein.

Jetter: Ja, es übt sich, wer Frau und Kinder hat. Und doch hör ich noch lieber von Soldaten, als ich sie sehe.

Buyck: Das sollt ich übelnehmen.

Jetter: Auf Euch ist’s nicht gesagt, Landsmann. Wie wir die spanischen Besatzungen los waren, holten wir wieder Atem.

Soest: Gelt! die lagen dir am schwersten auf?

Jetter: Vexier Er sich.

Soest: Die hatten scharfe Einquartierung bei dir.

Jetter: Halt dein Maul.

Soest: Sie hatten ihn vertrieben aus der Küche, dem Keller, der Stube – dem Bette.

Sie lachen.

Jetter: Du bist ein Tropf.

Buyck: Friede, ihr Herrn! Muß der Soldat Friede rufen! – Nun da ihr von uns nichts hören wollt, nun bringt auch eure Gesundheit aus, eine bürgerliche Gesundheit.

Jetter: Dazu sind wir bereit! Sicherheit und Ruhe!

Soest: Ordnung und Freiheit!

Buyck: Brav! das sind auch wir zufrieden.

Sie stoßen an und wiederholen fröhlich die Worte, doch so, daß jeder ein anderes ausruft und es eine Art Kanon wird. Der Alte horcht und fällt endlich auch mit ein.

Alle: Sicherheit und Ruhe! Ordnung und Freiheit!

Palast der Regentin

Margarete von Parma in Jagdkleidern. Hofleute. Pagen. Bediente.

Regentin: Ihr stellt das Jagen ab, ich werde heut nicht reiten. Sagt Machiavellen, er soll zu mir kommen.

Alle gehn ab.

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