Ungekürztes Werk "Der Scheich von Alexandria und seine Sklaven" von Wilhelm Hauff (Seite 9)

dir diese sechs Kohlhäupter abkaufen! Aber siehe – ich muß mich auf den Stab stützen und kann nichts tragen; erlaube deinem Söhnlein, daß es mir die Ware nach Hause bringt, ich will es dafür belohnen.«

Der Kleine wollte nicht mitgehen und weinte, denn ihm graute vor der häßlichen Frau; aber die Mutter befahl es ihm ernstlich, weil sie es doch für eine Sünde hielt, der alten, schwächlichen Frau diese Last allein aufzubürden. Halb weinend tat er, wie sie befohlen, raffte die Kohlhäupter in ein Tuch zusammen und folgte dem alten Weib über den Markt hin.

Es ging nicht sehr schnell bei ihr, und sie brauchte beinahe dreiviertel Stunden, bis sie in einen ganz entlegenen Teil der Stadt kam und endlich vor ­einem kleinen baufälligen Hause stillhielt. Dort zog sie ­einen alten, rostigen Haken aus der Tasche, fuhr damit geschickt in ein kleines Loch in der Tür, und plötzlich sprang diese krachend auf.

Aber wie war der kleine Jakob überrascht, als er eintrat! Das Innere des Hauses war prachtvoll ausgeschmückt; von Marmor war die Decke und die Wände, die Gerätschaften vom schönsten Ebenholz, mit Gold und geschliffenen Steinen eingelegt; der Boden aber war von Glas und so glatt, daß der Kleine einige Male ausglitt und umfiel.

Die Alte aber zog ein silbernes Pfeifchen aus der Tasche und pfiff eine Weise darauf, die gellend durch das Haus tönte; da kamen sogleich einige Meerschweinchen die Treppe herab. Dem Jakob wollte es aber ganz sonderlich dünken, daß sie aufrecht auf zwei Beinen gingen, Nußschalen statt Schuhen an den Pfoten trugen, menschliche Kleider angelegt und sogar Hüte nach der neuesten Mode auf die Köpfe gesetzt hatten. »Wo habt ihr meine Pantoffeln, schlechtes Gesindel?« rief die Alte und schlug mit dem Stock nach ihnen, daß sie jammernd in die Höhe sprangen. »Wie lange soll ich noch so dastehen?«

Sie sprangen schnell die Treppe hinauf und kamen wieder mit ein Paar Schalen von Kokosnuß, mit Leder gefüttert, welche sie der Alten geschickt an die Füße steckten.

Jetzt war alles Hinken und Rutschen vorbei. Sie warf den Stab von sich und glitt mit großer Schnelligkeit über den Glasboden hin, indem sie den kleinen Jakob an der Hand mit fortzog. Endlich hielt sie in einem Zimmer stille, das, mit allerlei Gerätschaften ausgeputzt, beinahe einer Küche glich, obgleich die Tische von Mahagoniholz und die Sofas, mit reichen Teppichen behängt, mehr zu einem Prunkgemach paßten. »Setz dich!« sagte die Alte recht freundlich, indem sie ihn in die Ecke eines Sofas drückte und einen Tisch so vor ihn hinstellte, daß er nicht mehr hervorkommen konnte. »Setz dich; du hast gar schwer zu tragen gehabt; die Menschenköpfe sind nicht so leicht, nicht so leicht.« »Aber Frau, was sprecht Ihr so wunderlich?« rief der Kleine. »Müde bin ich zwar, aber es waren ja Kohlköpfe, die ich getragen; Ihr habt sie meiner Mutter abgekauft.«

»Ei, das weißt du falsch«, lachte das Weib, deckte den Deckel des Korbes auf und brachte einen Menschenkopf hervor, den sie am Schopf gefaßt hatte.

Der Kleine war vor Schrecken außer sich. Er konnte nicht fassen, wie dies alles

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