Ungekürztes Werk "Die Elixiere des Teufels" von E. T. A. Hoffmann (Seite 7)

neue Welt, ein neues Leben erschließen! – Ich bog in einen schmalen Fußsteig ein, der mich einen jähen Abhang hinabführte; als ich aus dem Gebüsch trat, lag ein großes, schön gebautes Schloß vor mir im Talgrunde. – Das war der Ort des Abenteuers, welches der Graf zu bestehen im Sinne gehabt, und ich ging ihm mutig entgegen. Bald befand ich mich in den Gängen des Parkes, welcher das Schloß umgab; in einer dunklen Seitenallee sah ich zwei Männer wandeln, von denen der eine wie ein Weltgeistlicher gekleidet war. Sie kamen mir näher, aber ohne mich gewahr zu werden, gingen sie in tiefem Gespräch bei mir vorüber. Der Weltgeistliche war ein Jüngling, auf dessen schönem Gesicht die Totenblässe eines tiefnagenden Kummers lag, der andere, schlicht, aber anständig gekleidet, schien ein schon bejahrter Mann. Sie setzten sich, mir den Rücken zuwendend, auf eine steinerne Bank, ich konnte jedes Wort verstehen, was sie sprachen. »Hermogen!« sagte der Alte. »Sie bringen durch Ihr starrsinniges Schweigen Ihre Familie zur Verzweiflung, Ihre düstere Schwermut steigt mit jedem Tage, Ihre jugendliche Kraft ist gebrochen, die Blüte verwelkt. Ihr Entschluß, den geistlichen Stand zu wählen, zerstört alle Hoffnungen, alle Wünsche Ihres Vaters! – Aber willig würde er diese Hoffnung aufgeben, wenn ein wahrer, innerer Beruf ein unwiderstehlicher Hang zur Einsamkeit von Jugend auf den Entschluß in Ihnen erzeugt hätte, er würde dann nicht dem zu widerstreben wagen, was das Schicksal einmal über ihn verhängt. Die plötzliche Änderung Ihres ganzen Wesens hat indessen nur zu deutlich gezeigt, daß ein Ereignis, das Sie hartnäckig verschweigen, Ihr Inneres auf furchtbare Weise erschüttert hat und nun zerstörend fortarbeitet. – Sie waren sonst ein froher, unbefangener, lebenslustiger Jüngling! – Was konnte Sie denn dem Menschlichen so entfremden, daß Sie daran verzweifeln, in eines Menschen Brust könne Trost für Ihre kranke Seele zu finden sein? Sie schweigen? Sie starren vor sich hin? – Sie seufzen? Hermogen! Sie liebten sonst Ihren Vater mit seltener Innigkeit, ist es Ihnen aber jetzt unmöglich geworden, ihm Ihr Herz zu erschließen, so quälen Sie ihn wenigstens nicht durch den Anblick Ihres Rocks, der auf den für ihn entsetzlichen Entschluß hindeutet. Ich beschwöre Sie, Hermogen, werfen Sie diese verhaßte Kleidung ab. Glauben Sie mir, es liegt eine geheimnisvolle Kraft in diesen äußerlichen Dingen; es kann Ihnen nicht mißfallen, denn ich glaube von Ihnen ganz verstanden zu werden, wenn ich in diesem Augenblick, freilich auf fremdartig scheinende Weise, der Schauspieler gedenke, die oft, wenn sie sich in das Kostüm geworfen, wie von einem fremden Geist sich angeregt fühlen und leichter in den darzustellenden Charakter eingehen. Lassen Sie mich, meiner Natur gemäß, heitrer von der Sache sprechen, als sich sonst wohl ziemen würde. – Meinen Sie denn nicht, daß, wenn dieses lange Kleid nicht mehr Ihren Gang zur düstern Gravität einhemmen würde, Sie wieder rasch und froh dahinschreiten, ja laufen, springen würden wie sonst? Der blinkende Schein der Epauletts, die sonst auf Ihren Schultern prangten, würde wieder jugendliche Glut auf diese blassen Wangen werfen, und die klirrenden Sporen würden wie liebliche Musik

Seiten