Ungekürztes Werk "Der Prozeß" von Franz Kafka (Seite 102)

wohl hinsichtlich meiner Vorschläge noch nicht entschieden. Ich billige das. Ich hätte Ihnen sogar davon abgeraten, sich sofort zu entscheiden. Die Vorteile und Nachteile sind haarfein. Man muß alles genau abschätzen. Allerdings darf man auch nicht zuviel Zeit verlieren.” “Ich werde bald wiederkommen”, sagte K., der in einem plötzlichen Entschluß den Rock anzog, den Mantel über die Schulter warf und zur Tür eilte, hinter der jetzt die Mädchen zu schreien anfingen. K. glaubte, die schreienden Mädchen durch die Tür zu sehen. “Sie müssen aber Wort halten”, sagte der Maler, der ihm nicht gefolgt war, “sonst komme ich in die Bank, um selbst nachzufragen.” “Sperren Sie doch die Tür auf”, sagte K. und riß an der Klinke, die die Mädchen, wie er an dem Gegendruck merkte, draußen festhielten. “Wollen Sie von den Mädchen belästigt werden?” fragte der Maler. “Benützen Sie doch lieber diesen Ausgang”, und er zeigte auf die Tür hinter dem Bett. K. war damit einverstanden und sprang zum Bett zurück. Aber statt die Tür dort zu öffnen, kroch der Maler unter das Bett und fragte von unten: “Nur noch einen Augenblick; wollen Sie nicht noch ein Bild sehen, das ich Ihnen verkaufen könnte?” K. wollte nicht unhöflich sein, der Maler hatte sich wirklich seiner angenommen und versprochen, ihm weiterhin zu helfen, auch war infolge der Vergeßlichkeit K.s über die Entlohnung für die Hilfe noch gar nicht gesprochen worden, deshalb konnte ihn K. jetzt nicht abweisen und ließ sich das Bild zeigen, wenn er auch vor Ungeduld zitterte, aus dem Atelier wegzukommen. Der Maler zog unter dem Bett einen Haufen ungerahmter Bilder hervor, die so mit Staub bedeckt waren, daß dieser, als ihn der Maler vom obersten Bild wegzublasen suchte, längere Zeit atemraubend K. vor den Augen wirbelte. “Eine Heidelandschaft”, sagte der Maler und reichte K. das Bild. Es stellte zwei schwache Bäume dar, die weit voneinander entfernt im dunklen Gras standen. Im Hintergrund war ein vielfarbiger Sonnenuntergang. “Schön”, sagte K., “ich kaufe es.” K. hatte unbedacht sich so kurz geäußert, er war daher froh, als der Maler, statt dies übelzunehmen, ein zweites Bild vom Boden aufhob. “Hier ist ein Gegenstück zu diesem Bild”, sagte der Maler. Es mochte als Gegenstück beabsichtigt sein, es war aber nicht der geringste Unterschied gegenüber dem ersten Bild zu merken, hier waren die Bäume, hier das Gras und dort der Sonnenuntergang. Aber K. lag wenig daran. “Es sind schöne Landschaften”, sagte er, “ich kaufe beide und werde sie in meinem Büro aufhängen.” “Das Motiv scheint Ihnen zu gefallen”, sagte der Maler und holte ein drittes Bild herauf, “es trifft sich gut, daß ich noch ein ähnliches Bild hier habe.” Es war aber nicht ähnlich, es war vielmehr die völlig gleiche Heidelandschaft. Der Maler nützte diese Gelegenheit, alte Bilder zu verkaufen, gut aus. “Ich nehme auch dieses noch”, sagte K. “Wieviel kosten die drei Bilder?” “Darüber werden wir nächstens sprechen”, sagte der Maler. “Sie haben jetzt Eile, und wir bleiben doch in Verbindung. Im übrigen freut es mich, daß Ihnen die Bilder gefallen, ich werde

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