Ungekürztes Werk "Der Prozeß" von Franz Kafka (Seite 18)

ist auch berechtigt, denn ich hätte Sie nicht mehr hereinlassen sollen. Notwendig war es ja auch nicht, wie es sich gezeigt hat.” “Es war notwendig, das werden Sie erst jetzt sehn”, sagte K. “Darf ich das Nachttischchen von Ihrem Bett herrücken?” “Was fällt Ihnen ein?” sagte Fräulein Bürstner, “das dürfen Sie natürlich nicht!” “Dann kann ich es Ihnen nicht zeigen”, sagte K. aufgeregt, als füge man ihm dadurch einen unermeßlichen Schaden zu. “Ja, wenn Sie es zur Darstellung brauchen, dann rücken Sie das Tischchen nur ruhig fort”, sagte Fräulein Bürstner und fügte nach einem Weilchen mit schwächerer Stimme hinzu: “Ich bin so müde, daß ich mehr erlaube, als gut ist.” K. stellte das Tischchen in die Mitte des Zimmers und setzte sich dahinter. “Sie müssen sich die Verteilung der Personen richtig vorstellen, es ist sehr interessant. Ich bin der Aufseher, dort auf dem Koffer sitzen zwei Wächter, bei den Photographien stehen drei junge Leute. An der Fensterklinke hängt, was ich nur nebenbei erwähne, eine weiße Bluse. Und jetzt fängt es an. Ja, ich vergesse mich. Die wichtigste Person, also ich, stehe hier vor dem Tischchen. Der Aufseher sitzt äußerst bequem, die Beine übereinandergelegt, den Arm hier über die Lehne hinunterhängend, ein Lümmel sondergleichen. Und jetzt fängt es also wirklich an. Der Aufseher ruft, als ob er mich wecken müßte, er schreit geradezu, ich muß leider, wenn ich es Ihnen begreiflich machen will, auch schreien, es ist übrigens nur mein Name, den er so schreit.” Fräulein Bürstner, die lachend zuhörte, legte den Zeigefinger an den Mund, um K. am Schreien zu hindern, aber es war zu spät. K. war zu sehr in der Rolle, er rief langsam: “Josef K.!”, übrigens nicht so laut, wie er gedroht hatte, aber doch so, daß sich der Ruf, nachdem er plötzlich ausgestoßen war, erst allmählich im Zimmer zu verbreiten schien.

Da klopfte es an die Tür des Nebenzimmers einigemal, stark, kurz und regelmäßig. Fräulein Bürstner erbleichte und legte die Hand aufs Herz. K. erschrak deshalb besonders stark, weil er noch ein Weilchen ganz unfähig gewesen war, an etwas anderes zu denken als an die Vorfälle des Morgens und an das Mädchen, dem er sie vorführte. Kaum hatte er sich gefaßt, sprang er zu Fräulein Bürstner und nahm ihre Hand. “Fürchten Sie nichts”, flüsterte er, “ich werde alles in Ordnung bringen. Wer kann es aber sein? Hier nebenan ist doch nur das Wohnzimmer, in dem niemand schläft. Doch”, flüsterte Fräulein Bürstner an K.s Ohr, “seit gestern schläft hier ein Neffe von Frau Grubach, ein Hauptmann. Es ist gerade kein anderes Zimmer frei. Auch ich habe es vergessen. Daß Sie so schreien mußten! Ich bin unglücklich darüber.” “Dafür ist gar kein Grund”, sagte K. und küßte, als sie jetzt auf das Kissen zurücksank, ihre Stirn. “Weg, weg”, sagte sie und richtete sich eilig wieder auf, “gehen Sie doch, gehen Sie doch, was wollen Sie, er horcht doch an der Tür, er hört doch alles. Wie Sie mich quälen! Ich gehe nicht früher”, sagte K., “als Sie ein wenig

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