Ungekürztes Werk "Der Prozeß" von Franz Kafka (Seite 41)

ihm nicht Schmerz bereiten, hatte ihn auch nur ganz leicht angegriffen, trotzdem schrie der Mann auf, als habe K. ihn nicht mit zwei Fingern, sondern mit einer glühenden Zange erfaßt. Dieses lächerliche Schreien machte ihn K. endgültig überdrüssig; glaubte man ihm nicht, daß er angeklagt war, so war es desto besser; vielleicht hielt er ihn sogar für einen Richter. Und er faßte ihn nun zum Abschied wirklich fester, stieß ihn auf die Bank zurück und ging weiter. “Die meisten Angeklagten sind so empfindlich”, sagte der Gerichtsdiener. Hinter ihnen sammelten sich jetzt fast alle Wartenden um den Mann, der schon zu schreien aufgehört hatte, und schienen ihn über den Zwischenfall genau auszufragen. K. entgegen kam jetzt ein Wächter, der hauptsächlich an einem Säbel kenntlich war, dessen Scheide, wenigstens der Farbe nach, aus Aluminium bestand. K. staunte darüber und griff sogar mit der Hand hin. Der Wächter, der wegen des Schreiens gekommen war, fragte nach dem Vorgefallenen. Der Gerichtsdiener suchte ihn mit einigen Worten zu beruhigen, aber der Wächter erklärte, doch noch selbst nachsehen zu müssen, salutierte und ging weiter mit sehr eiligen, aber sehr kurzen, wahrscheinlich durch Gicht abgemessenen Schritten.

K. kümmerte sich nicht lange um ihn und die Gesellschaft auf dem Gang, besonders da er etwa in der Hälfte des Ganges die Möglichkeit sah, rechts durch eine türlose Öffnung einzubiegen. Er verständigte sich mit dem Gerichtsdiener darüber, ob das der richtige Weg sei, der Gerichtsdiener nickte, und K. bog nun wirklich dort ein. Es war ihm lästig, daß er immer einen oder zwei Schritte vor dem Gerichtsdiener gehen mußte, es konnte wenigstens an diesem Ort den Anschein haben, als ob er verhaftet vorgeführt werde. Er wartete also öfters auf den Gerichtsdiener, aber dieser blieb gleich wieder zurück. Schließlich sagte K., um seinem Unbehagen ein Ende zu machen: “Nun habe ich gesehen, wie es hier aussieht, ich will jetzt weggehen.” “Sie haben noch nicht alles gesehen”, sagte der Gerichtsdiener vollständig unverfänglich. “Ich will nicht alles sehen”, sagte K., der sich übrigens wirklich müde fühlte, “ich will gehen, wie kommt man zum Ausgang?” “Sie haben sich doch nicht schon verirrt?” fragte der Gerichtsdiener erstaunt, “Sie gehen hier bis zur Ecke und dann rechts den Gang hinunter geradeaus zur Tür.” “Kommen Sie mit”, sagte K., “zeigen Sie mir den Weg, ich werde ihn verfehlen, es sind hier so viele Wege.” “Es ist der einzige Weg”, sagte der Gerichtsdiener nun schon vorwurfsvoll, “ich kann nicht wieder mit Ihnen zurückgehen, ich muß doch meine Meldung vorbringen und habe schon viel Zeit durch Sie versäumt.” “Kommen Sie mit!” wiederholte K. jetzt schärfer, als habe er endlich den Gerichtsdiener auf einer Unwahrheit ertappt. “Schreien Sie doch nicht so”, flüsterte der Gerichtsdiener, “es sind ja hier überall Büros. Wenn Sie nicht allein zurückgehen wollen, so gehen Sie noch ein Stückchen mit mir oder warten Sie hier, bis ich meine Meldung erledigt habe, dann will ich ja gern mit Ihnen wieder zurückgehen.” “Nein, nein”, sagte K., “ich werde nicht warten, und Sie müssen jetzt mit mir gehen.” K. hatte sich

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