Interpretation "Über das Marionettentheater" von Heinrich von Kleist (Seite 3)

Manche Ausführungen des Erzählers deuten aber darauf hin, dass die dargebotene Argumentation gar nicht den Anspruch erhebt, vollkommen schlüssig zu sein. Neben den zahlreichen Brüchen in der Argumentation werden vom Erzähler auch Unsicherheiten in der Mimik und in den körperlichen Verhaltensweisen des Tänzers beschrieben: eine Bestätigung der von Kleist offenbar gewollt vermittelten Widersprüchlichkeit des entworfenen Konzepts. Das führt zu der Vermutung, dass es in dem Text weniger um die Formulierung einer empirisch anwendbaren Theorie geht, als vielmehr um einen abstrakten Gedanken. Wie konjunktivisch die im Essay entworfene Idee im Ganzen gehalten ist, wird auch anhand der von Kleist gewählten Erzählperspektive sichtbar. Die vage Angabe des Datums deutet bereits darauf hin, dass seit dem Gespräch längere Zeit vergangen ist, sodass angenommen werden kann, dass manche Details in der Darstellung des sich erinnernden Erzählers verzerrt wiedergegeben werden. In dem rekapitulierten Gespräch wird erneut von zeitlich relativ weit zurück liegenden Erlebnissen berichtet, weshalb auch deren Einzelheiten anzweifelbar erscheinen.

Der Mangel an Anwendbarkeit der entworfenen Theorie auf Bedingungen der Realität wird vom Autor also durch mehrfach bestehende Unsicherheitskomponenten vermittelt, die sowohl inhaltlich als auch im Rahmen der Textgestalt eingeführt werden. Die Ausarbeitung als Gespräch und nicht in Form eines klassischen Aufsatzes erscheint in diesem Zusammenhang als ideales Konzept, denn primär geht es hier nicht um eine Vermittlung absoluter Wahrheiten, sondern um die Nachvollziehbarkeit eines philosophischen Gedankens.

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