Ungekürztes Werk "Der Schuß von der Kanzel" von Conrad Ferdinand Meyer (Seite 252)

Fackel auf den Steinboden, wo sie der eine der Sarazenen behutsam aufhob, und eilte davon, Germano den Verrat des Mönches zu melden.

Ascanio, der den Deutschen erriet, bat Abu Mohammed, ihn zurückzurufen. Dieser aber weigerte sich. ›Er würde nicht gehorchen‹, sagte er sanft, ›und mir zwei oder drei meiner Leute niederhauen. Mit welchem andern Dienste, Herr, bin ich dir gefällig? Verhafte ich diese blühende Jugend?‹

›Astorre, sie wollen uns trennen!‹ schrie Antiope und suchte Schutz in den Armen des Mönches. Die am Altare Frevelnde hatte mit einer schuldlosen Seele auch die natürliche Beherztheit eingebüßt. Der Mönch, welchen seine Schuld vielmehr ermutigte und begeisterte, tat einen Schritt gegen den Sarazenen und riß ihm unversehens das Schwert aus der Scheide. ›Vorsichtig, Knabe, du könntest dich schneiden‹, warnte dieser gutmütig.

›Laß dir sagen, Abu Mohammed‹, erklärte Ascanio, ›dieser Rasende ist der Gespiele meiner Jugend und war lange Zeit der Mönch Astorre, den du sicherlich auf den Straßen Paduas gesehen hast. Der eigene Vater hat ihn um sein Klostergelübde geprellt und mit einem ungeliebten Weibe vermählt. Vor wenigen Stunden wechselte er mit ihr die Ringe, und jetzt, wie du ihn hier siehst, ist er der Gatte dieser andern.‹

›Verhängnis!‹ urteilte der Sarazene mild.

›Und die Verratene‹, fuhr Ascanio fort, ›ist Diana Pizzaguerra, die Schwester Germanos! Du kennst ihn. Er glaubt und traut lange, sieht und greift er aber, daß er ein Getäuschter und Betrogener ist, so spritzt ihm das Blut in die Augen und er tötet.‹

›Nicht anders‹, bestätigte Abu Mohammed. ›Er ist von der Mutter her ein Deutscher und diese sind Kinder der Treue!‹

›Rate mir, Sarazene. Ich weiß nur eine Auskunft: vielleicht eine Rettung. Wir bringen die Sache vor den Vogt. Ezzelin mag richten. Inzwischen bewachen deine Leute den Mönch in seinem eigenen festen Hause. Ich eile zum Ohm. Diese aber bringst du, Abu Mohammed, zu der Markgräfin Cunizza, der Schwester des Vogts, der frommen und leutseligen Domina, die hier seit einigen Wochen Hof hält. Nimm die hübsche Sünderin! Ich anvertraue sie deinem weißen Barte.‹ – ›Du darfst es‹, versicherte Mohammed.

Antiope umklammerte den Mönch und schrie noch kläglicher, als das erstemal: ›Sie wollen mich von dir trennen! Laß mich nicht, Astorre! keine Stunde! keinen ­Augenblick! Oder ich sterbe!‹ Der Mönch hob das Schwert.

Ascanio, der jede Gewalttat verabscheute, blickte den Sarazenen fragend an. Dieser betrachtete die sich umschlungen Haltenden mit väterlichen Augen. ›Laß die Schatten sich umarmen!‹ sagte er dann weichgestimmt, sei es, daß er ein Philosoph war und das Leben für Schein hielt, sei es, daß er sagen wollte: vielleicht verurteilt sie morgen Ezzelin zum Tode, gönne den verliebten Faltern die Stunde!

Ascanio zweifelte nicht an der Wirklichkeit der Dinge; desto zugänglicher war er dem zweiten Sinne des Spruches. Nicht allein als der Leichtfertige, der er war, sondern auch als ein Gütiger und Menschlicher zauderte er, die Liebenden auseinanderzureißen.

›Astorre‹, fragte er, ›kennst du mich?‹

›Du warst mein Freund‹, antwortete dieser.

›Und ich bin es noch. Du hast keinen treuern.‹

›O trenne mich nicht von ihr!‹ flehte jetzt der Mönch in einem so ergreifenden Tone, daß Ascanio nicht widerstand. ›So bleibet zusammen‹, sagte er,

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