Ungekürztes Werk "Mozart auf der Reise nach Prag" von Eduard Mörike (Seite 149)

hatte er sich ausgezogen und sein zerschelltes, brechliches und ganz vermürbtes Knochenrüstwerk behutsam ausgestreckt, da schlief er auch schon wie ein Dachs, und so in einem fort, bis abends spät, wo ihm die Frau eine Suppe mit Fleisch hinaufbrachte und noch ein wenig mit ihm diskurierte. Nun wünschte sie ihm gute Nacht und ging mit ihrem Licht.

Sie war aber die Stiege noch nicht gar hinunter, so ruckt' etwas an seinem Stuhl, ein Lämplein macht' die Kammer klar, und eine Stimme sagte: »Grüß' dich Gott, Seppe! verschrick nit, der Pechschwitzer ist es, der Hutzelmann, der Tröster. So, so, auch wieder hiesig? Sorg nit, ich plag' dich lang – du brauchst der Ruh' – nur auf ein Wort: sag an, gelt, Bursch, hast's Klötzle?«

»Jo freile han i's, Meister.«

»Laß sehn! wo steckt's? im Bündel? – hab' es schon! bei meinem Leisten! ja, da glotzt er raus, der Krackenzahn. Du erzigs Narrenglückskind du! Und hast fein nur mit einem Hund gejagt! Du Malefizglücksspitzbub du!« Mit diesen und viel andern närrischen Ausrufungen bewies das Männlein seine Freude. Drauf sagte es mit Ernst: »Mein Sohn, du hast dies teuere Stück, wie du zwar schuldig warst, deinem Patron getreulich überliefert, da du es nicht allein im Nonnenhof können vertrumpeln, um einen Pfifferling aus des Wasserweibs Hafen, sondern konntest vor Kaiser und Könige gehen damit, die hätten dir dies schlechte Blei gern sechsmal und mehr mit Gold aufgewogen – nun, Seppe, denk an mich, das sollt du nicht bereuen. Hab gute Nacht.« Im Gehen frug er noch: »Wie sicht's mit dem Laiblein?«

»Ja, Meister, um sell bin i komma, sell ist –«

»G'fressen?«

»Jo, aber ett vo mir!«

»Ei daß dich! hat das auch müssen verhansleardlet* sein! Nu, wenn's nur g'fressen ist; gibt wieder einmal ein anders vielleicht. B'hüt' Gott! Morgen bei rechter Zeit siehst mich wieder.«

Die Sonne ging am andern Morgen glatt und schön herauf am Himmel und hatte die Nebel über der Stadt mit Macht in der Früh' schon vertrieben. Man hörte die Gassen aus und ein vielfach Geläufe, Lachen und Gesprang; es war schon um die Achte, in einer halben Stunde ging der Aufzug an. Da hielt es die Base nun hoch an der Zeit, daß sie ihr Patlein wecke, denn, meinte sie, auf allen Fall muß er die Herrlichkeit mitmachen und soll so gut wie jeder andere Bürgersohn an der Gesellentafel speisen auf des Herrn Grafen Kosten. Mit Mühe hatte sie noch gestern abend einen langen weißen Judenbart samt Mantel und Mütze für ihn bei einer Trödlerin mietweis erlangt. Sie nahm den Plunder auf den Arm, den guten Burschen gleich auf seiner Kammer damit zu erfreuen; da klopfte es, und kam ein junger Gesell herein, wenig geringer als ein Edelknabe angezogen, mit einem krachneuen, rotbraunen Wammes von Sammet, schwarzen Pluderhosen, Kniebändern von Seide und gelben Strümpfen. Er hielt sein Barett vors Gesicht gedeckt, und als er es wegnahm, stand da vor seiner lieben Dot der Schuster Seppe, mit Blicken, halb beschämt und halb von Freude strahlend. Die Frau schlug in die Hände, rief: »Jemine! was soll das heißen?

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