Ungekürztes Werk "Mozart auf der Reise nach Prag" von Eduard Mörike (Seite 152)

verpaßt; er wolle da am Hafendamm aussteigen, wofern der Patron es erlauben und ein wenig anlegen möchte. Der gute Herr rief dem Matrosen, es ward ein Brett vom Schiff ans Land gelegt, der Jüngling küßte dem Kaufmann die Hände mit Dank, daß er ihn mitgenommen, sprang hinüber und auf das Bauermägdlein zu. Nun führten sie ein Lied auf im Wechselgesang, dazu er seine Saiten schlug. Während desselben hielt der ganze Zug, und alles horchte still.

»Grüß' dich Gott, herzlieber* Schatz,

Dich und deine Besen!«

»Grüß' dich Gott, du schlimmer Wicht,

Wo bist du gewesen?«

»Schatz, wo ich gewesen bin,

Darf ich dir wohl sagen:

War in fremde Lande hin,

Hab' gar viel erfahren.

Sah am Ende von der Welt,

Wie die Bretter paßten,

Noch die alten Monden hell

All in einem Kasten:

Sahn wie schlechte Fischtuch' aus

Sonne kam gegangen,

Tupft' ich nur ein wenig drauf,

Brannt' mich wie mit Zangen.

Hätt' ich doch ein' Schritt getan,

Hätt' ich nichts mehr funden.

Sage nun, mein Liebchen, an,

Wie du dich befunden.«

»In der kalten Wintersnacht

Ließest du mich sitzen:

Ach mein' schwarzbraun' Äugelein

Mußten Wasser schwitzen!

Darum reis in Sommernacht

Nur zu all'r Welt Ende;

Wer sich gar zu lustig macht,

Nimmt ein schlechtes Ende.«

Mit diesem Abschiedsgruß ließ sie ihn stehen. Er spielte, der Dirne gelassen nachschauend, seine Weise noch vollends hinaus, stieß sich den Hut aufs linke Ohr und lief hinweg.

Es traten ferner ein fünf Wurstelmaukeler*. Das waren von alters her bei der Stuttgarter Fasnacht fünf Metzgerknechte, mit Kreuzerwürsten über und über behangen, daß man sonst nichts von ihnen sah. Sie hatten jeder über das Gesicht eine große Rindsblase gezogen, mit ausgeschnittenen Augen, das Haupt bekränzt mit einem Blunzenring*. Wenn es nachher zur Mahlzeit ging, dann durften die Kinder der Stadt, für die kein Platz war an den Tischen, kommen, und durfte sich jedes ein Würstlein abbinden, der Maukeler hielt still und bückte sich, wenn es nötig war; dazu wurden Wecken in Menge verteilt.

Noch gab es viel mutwillige und schöne Stampaneien*, deren ich ungern geschweige.

Nachdem der ganze Mummenschanz an den drei Seiten des Markts langsam herumgekommen und links vom Rathaus abgezogen war, dem Hirschen zu, bestiegen die Springer und Tänzer das Seil.

Der Seppe war die ganze Zeit an seinem Platz verharrt; auch hatte er sich lang nicht offenbar gemacht, doch endlich tat er dies, auf schlaue Art, indem er sich geheim zur Erde bückte und sichtbarlich aufstand, dadurch es etwa denen, so zunächst an ihm gestanden, schien, als schlupfet' er unter den Planken hervor. Von wegen seiner edlen Kleidung wiesen ihn die Wärtel auch nicht weg, deren keiner ihn kannte; nur seine alten guten Freunde grüßten ihn von da und dort mit Winken der Verwunderung.

Der Seppe hatte bis daher alles und jedes, die ganze Mummerei, geruhig, obwohl mit unverwandtem Aug' und Ohr, an ihm vorbeiziehen lassen. Wie aber jetzt die fremden Gaukler, lauter schöne Männer, Frauen und Kinder, in ihrer lüftigen Tracht ihre herrliche Kunst sehen ließen und ihnen jegliche Verrichtung, als Tanzen, Schweben, Sich-Verwenden, Niederfallen, Knien, so gar unschwer vonstatten ging, als wär' es nur geblasen, kam ihn auf einmal große Unruh' an, ja ein unsägliches Verlangen, es ihnen gleichzutun. Er merkte aber bald, daß solche

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