Ungekürztes Werk "Mozart auf der Reise nach Prag" von Eduard Mörike (Seite 64)

bei der gestrengen Frau.‹ Der Knabe, da sie solches sprach, bewegte sich mit Angst in seines Vaters Arm, als hätte er verstanden und gewußt, wovon die Rede sei. Der Graf winkte der Wärterin zu reden, die denn fortfuhr: ›Neulich, Ihr wart eben verreist, geh' ich des Morgens, wie ich immer pflege, nach der Kammer zum Kind. Das hört' ich schon von weitem schrein, als hätte man's am Messer. Indem ich eintrete, Gott steh' mir bei, muß ich mit diesen meinen Augen sehn, wie die gnädige Frau den jungen Herrn, bevor sie ihm das Röcklein angezogen, glatt auf den Tisch gelegt und ihn gequält, geschlagen und gekneipt, daß es zum Erbarmen gewesen. Wie sie mein ansichtig geworden, erschrak sie fast und tat dem Söhnlein schön und kitzelt' es, daß das arm Würmlein gelacht und geschrien untereinander. ›Schau, was er lacht!‹ rief sie, ›ist er nicht seines Vaters Konterfei?‹ – Ich dachte: wohl, du armes Kind, drum mußt du also leiden. – Herr, haltet's mir zu Gnaden, daß ich so frech vor Euer Edlen alles sage; glaubt aber nur, man hat wohl der Exempel mehr, daß eine Ehefrau ihres Mannes Fleisch und Bein im eigenen Kind hat angefeindet, und, mein' ich, solches tut der böse Geist, daß einer Mutter Herz sich so verstellen muß und wüten wider die Frucht ihres Leibes.‹

So redete Judith und sah, wie ihrem Herrn ein übers andere Mal die Flammen zu Gesichte stiegen und wie er zitterte vor Zorn. Er sagte lange nichts und starrte vor sich nieder. Jetzt stand er auf, sprach zu dem Weib: ›Geh, sag dem Kaspar, daß er gleich drei Rosse fertig halten soll, den schönen Schimmel mit dem Weibersattel, den Rappen und sein eigen Pferd. Du selber lege dein Feierkleid an und nimm des Kindes Zeug zusammen in ein Bündlein, wir werden gleich verreisen. Fürchte dich nicht, dir soll kein Haar gekrümmt werden.‹ Sie lief und tat, wie ihr befohlen war, derweil Herr Veit sich rüstete. Alsdann nahm er das Büblein auf und eilte nach dem Hof. Auf seinen Wink bestieg Judith ihr Pferd; es war das edelste von allen aus dem Stall. Veit nahm den Junker vor sich hin; so ritten sie zum Tor hinaus, der Knecht hinterdrein. Frau Irmel aber sah am Erkerfenster halb versteckt dem allen zu, höchlich verwundert und erbost, und bildete sich freilich ein, was es bedeute. Sie folgte dem Zug mit höhnischen Blicken den Burgweg hinunter, und als die Rößlein dann ins obere Sicheltal einlenkten, sprach Irmel bei sich selbst: ›Richtig! Jetzt geht es nach Schloß Greifenholz, zur lieben gottseligen Frau Schwägerin.‹ – So war es auch. Dort hatte der Graf seine nächsten Verwandten, bei denen er viel Trost und für den Knaben und die Wärterin die beste Aufnahme fand. Am zwölften Morgen kehrte der bedrängte Mann um eine große Sorge leichter zu seinem Fegfeuer zurück, denn sichtbarlich gedieh das Kind fern seiner Mutter, wie eine Rose an der Maiensonne. Die Gräfin fragte, wie man denken kann, mit keiner Silbe nach dem Junker, und beide Gatten lebten

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