Ungekürztes Werk "Also sprach Zarathustra" von Friedrich Nietzsche (Seite 139)
wieder hoffen – oder sie lernen von dir, o Zarathustra, die große Hoffnung!«
Also sprach der König zur Rechten und ergriff die Hand Zarathustras, um sie zu küssen; aber Zarathustra wehrte seiner Verehrung und trat erschreckt zurück, schweigend und plötzlich wie in weite Fernen entfliehend. Nach einer kleinen Weile aber war er schon wieder bei seinen Gästen, blickte sie mit hellen, prüfenden Augen an und sprach:
»Meine Gäste, ihr höheren Menschen, ich will deutsch und deutlich mit euch reden. Nicht auf euch wartete ich hier in diesen Bergen.«
(»Deutsch und deutlich? Daß Gott erbarm!« sagte hier der König zur Linken, beiseite; »man merkt, er kennt die lieben Deutschen nicht, dieser Weise aus dem Morgenlande!
Aber er meint ›deutsch und derb‹ – wohlan! Das ist heutzutage noch nicht der schlimmste Geschmack!«)
»Ihr mögt wahrlich insgesamt höhere Menschen sein« fuhr Zarathustra fort: »aber für mich – seid ihr nicht hoch und stark genug.
Für mich, das heißt: für das Unerbittliche, das in mir schweigt, aber nicht immer schweigen wird. Und gehört ihr zu mir, so doch nicht als mein rechter Arm.
Wer nämlich selber auf kranken und zarten Beinen steht, gleich euch, der will vor allem, ob er's weiß oder sich verbirgt: daß er geschont werde.
Meine Arme und meine Beine aber schone ich nicht, ich schone meine Krieger nicht: wieso könntet ihr zu meinem Kriege taugen?
Mit euch verdürbe ich mir jeden Sieg noch. Und mancher von euch fiele schon um, wenn er nur den lauten Schall meiner Trommeln hörte.
Auch seid ihr mir nicht schön genug und wohlgeboren. Ich brauche reine glatte Spiegel für meine Lehren; auf eurer Oberfläche verzerrt sich noch mein eignes Bildnis.
Eure Schultern drückt manche Last, manche Erinnerung; manch schlimmer Zwerg hockt in euren Winkeln. Es gibt verborgenen Pöbel auch in euch.
Und seid ihr auch hoch und höherer Art: vieles an euch ist krumm und mißgestalt. Da ist kein Schmied in der Welt, der euch mir zurecht und gerade schlüge.
Ihr seid nur Brücken: mögen Höhere auf euch hinüberschreiten! Ihr bedeutet Stufen: so zürnt dem nicht, der über euch hinweg in seine Höhe steigt!
Aus eurem Samen mag auch mir einst ein echter Sohn und vollkommener Erbe wachsen: aber das ist ferne. Ihr selber seid die nicht, welchen mein Erbgut und Name zugehört.
Nicht auf euch warte ich hier in diesen Bergen, nicht mit euch darf ich zum letzten Male niedersteigen. Als Vorzeichen kamt ihr mir nur, daß schon Höhere zu mir unterwegs sind –
– nicht die Menschen der großen Sehnsucht, des großen Ekels, des großen Überdrusses und das, was ihr den Überrest Gottes nanntet,
– Nein! Nein! dreimal nein! Auf andere warte ich hier in diesen Bergen und will meinen Fuß nicht ohne sie von dannen heben,
– auf Höhere, Stärkere, Sieghaftere, Wohlgemutere, solche, die rechtwinklig gebaut sind an Leib und Seele: lachende Löwen müssen kommen!
Oh, meine Gastfreunde, ihr Wunderlichen – hörtet ihr noch nichts von meinen Kindern? Und daß sie zu mir unterwegs sind?
Sprecht mir doch von meinen Gärten, von meinen glückseligen Inseln, von meiner neuen schönen Art – warum sprecht ihr mir nicht davon?
Dies Gastgeschenk erbitte ich mir von