Literaturepoche Zwischen Klassik und Romantik (Seite 3)

Im schroffen Gegensatz zu Jean Paul steht Friedrich Hölderlins lyrisch geprägtes Werk, in welchem – nicht nur aufgrund der Übernahme klassischer Formen (Oden, Elegien) – eine formale Nähe zur Weimarer Klassik, besonders zu Schiller, feststellbar ist. Auch bei Hölderlin wird die Welt des antiken Griechenland zum poetischen Ort der Einheit von Natur und Kultur, doch erschöpft sich diese (keineswegs zufällige) Übereinstimmung in der gemeinsamen Begeisterung für diese Epoche, der Hölderlin eine wesentlich tiefere Bedeutung in seinem geschichtsphilosophischen Gebäude gab als sein württembergischer Landsmann.

Hölderlin erlebte die Gegenwart als eine Zeit der Götterferne. Die »leidenden Menschen« fallen »blindlings von einer Stunde zur andern«, während die Götter »schicksallos«, »in stiller ewiger Klarheit« weilen. Das Zeitalter der ursprünglichen Einheit der Menschen mit den Göttern ist versunken; vergeblich bemüht sich der Titelheld des Briefromans Hyperion oder der Eremit in Griechenland (1797/99), im Freiheitskampf der Griechen gegen die Türken nicht nur die Freiheit, sondern auch die alte Welt Griechenlands wiederzugewinnen. Wenn auch Hyperions politische Träume – ebenso wie sein persönliches Glück durch den Tod seiner Geliebten Diotima – zerstört werden, so mündet dieses für Hölderlin charakteristische, pessimistische Bild der Wirklichkeit nicht in Verzweiflung. In der allumfassenden Natur entdeckt Hyperion schließlich das Göttliche wieder, das er unter den Menschen vermißt und in der Liebe zu Diotima gespürt hatte: »Versöhnung ist mitten im Streit und alles Getrennte findet sich wieder.«

Die Thematik der Versöhnung und des Friedens durchzieht das gesamte Werk Hölderlins, wovon u. a. Titel wie Der Frieden, Friedensfeier und Versöhnender, der du nimmergeglaubt zeugen. Aus der Spannung zwischen erlebter Götterferne und geglaubter Versöhnung definiert sich auch Hölderlins Konzept vom Dichtertum: der Dichter hat die Aufgabe – und kraft seines Künstlertums auch die Fähigkeit –, von den »Himmlischen« zu künden. Damit wird ihm eine Art Priesteramt zugewiesen, das in der Titelfigur des (Fragment gebliebenen) Dramas Der Tod des Empedokles (1798/99) seine konsequenteste Ausformulierung gefunden hat. Der griechische Philosoph, Arzt und Priester Empedokles, der als Volksführer half, die Oligarchie auf Sizilien zu beseitigen, wurde mit seiner orphischen Mystik zur Vorlage für Hölderlins Helden. Seinen legendären Freitod in den Flammen des Ätna deutete der Dichter nicht als Akt der Verzweiflung, sondern als Wiedervereinigung, also auch Versöhnung mit dem Göttlichen und der Natur.

Seiten