Ungekürztes Werk "Leonce und Lena" von Georg Büchner (Seite 13)
ZWEITE SCENE
Freier Platz vor dem Schlosse des Königs Peter
Der Landrath. Der Schulmeister. Bauern im Sonntagsputz, Tannenzweige haltend.
LANDRATH. Lieber Herr Schulmeister, wie halten sich Eure Leute?
SCHULMEISTER. Sie halten sich so gut in ihren Leiden, daß sie sich schon seit geraumer Zeit aneinander halten. Sie gießen brav Spiritus in sich, sonst könnten sie sich in der Hitze unmöglich so lange halten. Courage, ihr Leute! Streckt eure Tannenzweige grad vor euch hin, daß man meint ihr wärt ein Tannenwald und eure Nasen die Erdbeeren und eure Dreimaster die Hörner vom Wildpret und eure hirschledernen Hosen der Mondschein darin, und merkt's euch, der Hinterste läuft immer wieder vor den Vordersten, daß es aussieht als wärt ihr ins Quadrat erhoben.
LANDRATH. Und Schulmeister, Ihr stehet vor die Nüchternheit.
SCHULMEISTER. Versteht sich, denn ich kann vor Nüchternheit kaum mehr stehen.
LANDRATH. Gebt Acht, Leute, im Programm steht: »Sämmtliche Unterthanen werden von freien Stücken, reinlich gekleidet, wohlgenährt, und mit zufriedenen Gesichtern sich längs der Landstraße aufstellen.« Macht uns keine Schande!
SCHULMEISTER. Seid standhaft! Kratzt euch nicht hinter den Ohren und schneuzt euch die Nasen nicht mit den Fingern, so lang das hohe Paar vorbeifährt und zeigt die gehörige Rührung, oder es werden rührende Mittel gebraucht werden. Erkennt was man für euch thut, man hat euch grade so gestellt, daß der Wind von der Küche über euch geht und ihr auch einmal in eurem Leben einen Braten riecht. Könnt ihr noch eure Lection? He! Vi!
DIE BAUERN. Vi!
SCHULMEISTER. Vat!
DIE BAUERN. Vat!
SCHULMEISTER. Vivat!
DIE BAUERN. Vivat!
SCHULMEISTER. So Herr Landrath. Sie sehen wie die Intelligenz im Steigen ist. Bedenken Sie, es ist Latein. Wir geben aber auch heut Abend einen transparenten Ball mittelst der Löcher in unseren Jacken und Hosen, und schlagen uns mit unseren Fäusten Cocarden an die Köpfe.