Ungekürztes Werk "Das Schloss Dürande" von Joseph von Eichendorff (Seite 13)

oder beschäftigt sei, von den Pariser Bedienten zurückgewiesen worden, die ihn noch nicht kannten; so habe er denn heute auf der Straße gewartet, bis der Graf zurückkäme.

»Und was willst du denn von mir?« fragte der Graf, ihn mit unverwandten Blicken prüfend.

»Gnädiger Herr«, erwiderte der Jäger nach einer Pause, »Sie wissen wohl, ich hatte eine Schwester, sie war meine einzige Freude und mein Stolz – sie ist eine Landläuferin geworden, sie ist fort.«

Der Graf machte eine heftige Bewegung, faßte sich aber gleich wieder und sagte halb abgewendet: »Nun, und was geht das mich an?«

Renalds Stirn zuckte wie fernes Wetterleuchten, er schien mit sich selber zu ringen. »Gnädiger Herr«, rief er darauf im tiefsten Schmerz, »gnädiger Herr, gebt mir meine arme Gabriele zurück!«

»Ich?« fuhr der Graf auf, »zum Teufel, wo ist sie?«

»Hier –«, entgegnete Renald ernst.

Der Graf lachte laut auf, und den Leuchter ergreifend, stieß er rasch eine Flügeltür auf, daß man eine weite Reihe glänzender Zimmer übersah. »Nun«, sagte er mit erzwungener Lustigkeit, »so hilf mir suchen. Horch, da raschelt was hinter der Tapete, jetzt hier, dort, nun sage mir, wo steckt sie?«

Renald blickte finster vor sich nieder, sein Gesicht verdunkelte sich immer mehr. Da gewahrte er Gabrielens Schnupftuch auf einem Tischchen; der Graf, der seinen Augen gefolgt war, stand einen Augenblick betroffen. Renald hielt sich noch, es fiel ihm der Zettel des Fremden wieder ein, er wünschte immer noch, alles in Güte abzumachen, und reichte schweigend dem Grafen das Briefchen hin. Der Graf, ans Licht tretend, erbrach es schnell, da flog eine dunkle Röte über sein ganzes Gesicht. »Und weiter nichts?« murmelte er leise zwischen den Zähnen, sich in die Lippen beißend. »Wollen sie mir drohen, mich schrecken?« Und rasch zu Renald gewandt, rief er: »Und wenn ich deine ganze Sippschaft hätt', ich gäb' sie nicht heraus! Sag deinem Bettleradvokaten, ich lachte sein und wäre zehntausendmal noch stolzer als er, und wenn ihr beide euch im Hause zeigt, lass' ich mit Hunden euch vom Hofe hetzen, das sag ihm; fort, fort, fort!« Hiermit schleuderte er den Zettel dem Jäger ins Gesicht und schob ihn selber zum Saal hinaus, die eichene Tür hinter ihm zuwerfend, daß es durchs ganze Haus öde erschallte.

Renald stand, wild um sich blickend, auf der stillen Treppe. Da bemerkte er erst, daß er den Zettel noch krampfhaft in den Händen hielt; er entfaltete ihn hastig und las an dem flackernden Licht einer halb verlöschten Laterne die Worte: »Hütet Euch. Ein Freund des Volks.«

Unterdes hörte er oben den Grafen heftig klingeln; mehrere Stimmen wurden im Hause wach, er stieg langsam hinunter wie ins Grab. Im Hofe blickte er noch einmal zurück, die Fenster des Grafen waren noch erleuchtet, man sah ihn im Saale heftig auf und nieder gehen. Da hörte Renald auf einmal draußen durch den Wind singen:

 

»Am Himmelsgrund schießen

So lustig die Stern',

Dein Schatz läßt dich grüßen

Aus weiter, weiter Fern'!

 

Hat eine Zither gehangen

An der Tür unbeacht't,

Der Wind ist gegangen

Durch die Saiten bei Nacht.

Schwang sich auf dann vom Gitter

Über die Berge, übern Wald –

Mein Herz ist die Zither,

Gibt einen

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