Ungekürztes Werk "Das Schloss Dürande" von Joseph von Eichendorff (Seite 11)

stand wie auf Kohlen. »War Gabriele bei dir?« fragte er gleich nach der ersten Begrüßung gespannt. Der Vetter schüttelte erstaunt den Kopf, er wußte von nichts. »Also doch!« sagte Renald, mit dem Fuß auf die Erde stampfend; aber er konnte es nicht über die Lippen bringen, was er vermute und vorhabe.

Sie gingen nun in das Haus und kamen in ein langes, wüstes Gemach, das von einem Kaminfeuer im Hintergrunde ungewiß erleuchtet wurde. In den roten Widerscheinen lag dort ein wilder Haufe umher: abgedankte Soldaten, müßige Handwerksburschen und dergleichen Hornkäfer, wie sie in der Abendzeit um die großen Städte schwärmen. Alle Blicke aber hingen an einem hohen, hagern Manne mit bleichem, scharf geschnittenem Gesicht, der, den Hut auf dem Kopf und seinen langen Mantel stolz und vornehm über die linke Achsel zurückgeschlagen, mitten unter ihnen stand. »Ihr seid der Nährstand«, rief er soeben aus; »wer aber die andern nährt, der ist ihr Herr; hoch auf, ihr Herren!« Er hob ein Glas, alles jauchzte wild auf und griff nach den Flaschen, er aber tauchte kaum die feinen Lippen in den dunkelroten Wein, als schlürft' er Blut, seine spielenden Blicke gingen über dem Glase kalt und lauernd in die Runde.

Da funkelte das Kaminfeuer über Renalds blankes Bandelier, das stach plötzlich in ihre Augen. Ein starker Kerl mit rotem Gesicht und Haar wie ein brennender Dornbusch trat mit übermütiger Bettelhaftigkeit dicht vor Renald und fragte, ob er dem Großtürken diene? Ein anderer meinte, er habe ja da, wie ein Hund, ein adeliges Halsband umhängen. Renald griff rasch nach seinem Hirschfänger, aber der lange Redner trat dazwischen, sie wichen ihm scheu und ehrerbietig aus. Dieser führte den Jäger an einen abgelegenen Tisch und fragte, wohin er wolle. Da Renald den Grafen Dü­rande nannte, sagte er: »Das ist ein altes Haus, aber der Totenwurm pickt schon drin, ganz von Liebschaften zerfressen.« Renald erschrak, er glaubte, jeder müßte ihm seine Schande an der Stirn ansehn. »Warum kommt Ihr gerade auf die Liebschaften?« fragte er zögernd. »Warum?« erwiderte jener, »sind sie nicht die Herrn im Forst, ist das Wild nicht ihres, hohes und niederes? Sind wir nicht verfluchte Hunde und lecken die Schuh', wenn sie uns stoßen?« Das verdroß Renald; er entgegnete kurz und stolz: Der junge Graf Dürande sei ein großmütiger Herr, er wolle nur sein Recht von ihm und weiter nichts. Bei diesen Worten hatte der Fremde ihn aufmerksam betrachtet und sagte ernst: »Ihr seht aus wie ein Scharfrichter, der, das Schwert unterm Mantel, zu Gerichte geht; es kommt die Zeit, gedenkt an mich, Ihr werdet der Rüstigsten einer sein bei der blutigen Arbeit.« Dann zog er ein Blättchen hervor, schrieb etwas mit Bleistift darauf, versiegelte es am Licht und reichte es Renald hin. »Die Grafen hier kennen mich wohl«, sagte er; er solle das nur abgeben an Dürande, wenn er einen Strauß mit ihm habe, es könnte ihm vielleicht von Nutzen sein. »Wer ist der Herr?« fragte Renald seinen Vetter, da der Fremde sich rasch wieder wandte. »Ein Feind der Tyrannen«, entgegnete der Vetter leise

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