Ungekürztes Werk "Libertas und ihre Freier" von Joseph von Eichendorff (Seite 15)

windstill ist, tief im Grunde noch die Türme sehen, und manchmal in schönen Sommernächten taucht es herauf, bis die ersten Hähne krähen.« Und in der Tat, der unheimliche Spuk wollte gar nicht aufhören, je weiter sie in der verrufenen Gegend fortschritten. Irrlichter hüpften überall über den Weg vor ihnen und spielten und wanden sich untereinander wie junge Kätzchen; dann fuhren sie neckend nach Rüpels Bart, setzten sich auf Magogs Hut oder haschten von hinten nach ihm, als wollten sie ihm den noch übriggebliebenen Frackschoß abreißen. Rüpel sagte: »Die närrischen Dinger werden mir noch meine Wildschuhe anzünden« und suchte immerfort eines zu greifen, und da es jedesmal mißlang, brach er endlich in ein so herzhaftes Lachen aus, daß es weit durch den Wald schallte und die Irrlichter erschrocken nach allen Seiten auseinanderfuhren.

»Hab' ich's nicht gesagt?!« rief dann Rüpel, indem er plötzlich ganz erschrocken stillstand und mit dem Finger in die Nacht hinauswies. Magog wandte sich rasch herum und erblickte in der Waldeinsamkeit einen großen klaren See und mitten in dem See ein schneeweißes Schloß mit goldenen Zinnen, das sich wie ein schlummernder Schwan im Wasser spiegelte, und rings um das Schloß herum schien ein Garten mit Myrten, Palmen und andern wunderbaren Bäumen gleichfalls zu schlummern, so still war es dort. Jetzt aber erhoben sich auf einmal einige Elfen, die unter den Palmen geschlafen hatten, dann immer mehrere, und gleich darauf sah man sie alle wie Johanniswürmchen geschäftig hin und her irren, als würde dort ein großes Fest vorbereitet. Dabei streiften sie im Vorüberschweben mit ihren Fingerspitzen Bäume, Blumen und Sträucher, die von der flüchtigen Berührung allmählich in hundertfarbigem Glanze, wie lauter Bergkristalle, Rubinen, Smaragden und Saphire, zu leuchten anfingen, und wenn die Luft durch den Garten ging, gab es einen wunderbaren Klang, als ob der Mondschein selber sänge. »Das ist ihr Traumschloß«, flüsterte Rüpel dem Magog zu und wandte kein Auge von der prächtigen Illumination. Magog aber warf stolz den Kopf zurück. »Einfältiges Waldesrauschen, alberne Kobolde, Mondenschein und klingende Blumen«, sagte er mit außerordentlicher Verachtung, »nichts als Romantik und eitel Märchen, wie sie müßige Ammen sonst den Kindern erzählten. Aber der Menschengeist ist seitdem mündig geworden. Vorwärts! Die Weltgeschichte wartet draußen auf uns.« Mit diesen Worten drängte er den kindischen Riesen fort zu verdoppelter Eile und ruhte nicht, bis der Blumengesang und der schimmernde Garten hinter ihnen verklungen und versunken.

Das war aber nun einmal eine wahre Hexennacht, denn sie mochten kaum noch eine Stunde lang gegangen sein, so hörten sie schon wieder ein seltsames Geräusch vor sich, ein Schwanken und Knistern in den Zweigen und Hufklang dazwischen, immer näher und näher, wie wenn jemand rasch und heimlich durch das Dickicht bräche. Und es war auch wirklich ein flüchtiger Zug, der gerade auf sie zukam. Voran eilten viele Irrlichter in lustigen Sprüngen, um unter den Eichenschatten den Weg zu zeigen, dann folgte ein Hirsch, und auf dem Hirsche saß eine sehr schöne Dame, von ihren Locken, wie von einem goldnen Mantel, durch den die Sterne schienen, rings umwallt und einen Kranz ums

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