Ungekürztes Werk "Libertas und ihre Freier" von Joseph von Eichendorff (Seite 16)

Haupt, der in grüngoldenem Feuer funkelte. Als sie die beiden Wanderer gewahrte, stutzte sie, und auf einen Wink von ihr hielten Hirsch und Irrlichter plötzlich an. Rüpel verneigte sich, so tief er's vermochte, und wagte kaum, verstohlen aufzublinzeln, während die Irrwische, die keinen Augenblick ruhig bleiben konnten, sich schon wieder mit Magogs verwitwetem Rockschoß zu schaffen machten. »Was sucht ihr hier?« fragte die Reiterin, die Fremden mit einem strengen und durchdringenden Blick betrachtend. »Die Libertas«, entgegnete Magog stolz. Da lachte die Dame und winkte wieder, und wieder eilten die Irr­lichter voran und flog der Hirsch mit seiner schönen Herrin über den Rasen fort – sie schienen nach dem Traum­schlosse hinzuziehen.

Jetzt erst richtete sich Rüpel mühsam aus seiner Devotion wieder auf; »gewiß Ihre Majestät die Elfenkönigin«, rief er, dem Zuge noch lange nachsehend. »Das wäre mir eine schöne Königin«, erwiderte Magog, »ihr Diadem war nicht einmal echt, nichts als leuchtende Johanneswürmchen.«

Der Morgen fing endlich an zu dämmern, in der Ferne krähte schon ein Hahn; da bog Rüpel bald da, bald dort die Wipfel auseinander und spähte unruhig nach allen Seiten umher. »Jetzt hab' ich's!« rief er auf einmal, »dort ist das Schloß des Baron Pinkus.« – »Das trifft sich ja vortrefflich«, entgegnete Magog, »es scheint noch alles zu schlafen droben, wir müssen das Schloß überrumpeln. Der Star hat mir alles ausführlich beschrieben; dort in dem Eckturm sitzt die Libertas gefangen. Sie, lieber Herr Rüpel, haben gerade die gehörige Leibeslänge, Sie langen also ohne weiteres in das Turmfenster hinein und heben die Gefangene in meine Arme. Ja, jetzt gilt's: Entführung, Hochzeit, Tod oder Haushofmeister!« Nun aber hatte er seine Not mit dem Riesen, der nicht so leise auftreten konnte, wie es die Wichtigkeit des entscheidenden Augenblicks erheischte, und überdies bald Eicheln knackte, bald wieder ­einen Ast abbrach, um sich die Zähne zu stochern. Jetzt glaubten sie in dem Schloßhofe einen Hund anschlagen zu hören. »Um des Himmels willen«, flüsterte Magog seinem Gefährten zu, »nur still jetzt, sachte, sachte!« So zogen sie sich vorsichtig am Rande des Waldes hin, als ob sie ein Eulennest beschleichen wollten.

Da sahen sie zu ihrer nicht geringen Verwunderung auf einmal einen glänzenden Punkt sich wie eine Sternschnuppe übers Feld bewegen. Es kam immer näher, und bald konnten sie deutlich unterscheiden, daß es eine Frauengestalt und die Sternschnuppe eine glimmende Zigarre war, die sie im Munde hielt. Sie kam, wie es schien, in großer Angst vom Schlosse gerade auf sie dahergeflogen: eine prächtige Amazone mit Schärpe, Reitgerte und klingenden Sporen, ein zierliches Reisebündel unter dem Arm. Jetzt stand sie atemlos dicht vor Magog, den sie beinah umgerannt hätte. »Mein Ideal!« rief sie da plötzlich aus, und »Libertas!« schallte es aus Magogs entzücktem Munde herüber. Sie hatten einander im Augenblick erkannt, ein geheimnisvoller Zug gleichgestimmter Seelen riß Herz an Herz, und in einer langen stummen Umarmung ging ihnen die Welt unter und die Ewigkeit auf. Unterdes war auch Rüpel neugierig zwischen den Bäumen hervorgetreten, da erschrak die Dame sehr und sah ihn scheu von der Seite an. Rüpel aber, dem

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