Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 115)

Sie das nicht. Es gibt in diesem Falle viel weniger Brauchbares, als Sie sich vorzustellen scheinen. Prinzessinnennamen an und für sich, ohne weitere Zutat, ja, die gibt es genug. Aber damit ist Ermyntrud nicht zufrieden; sie verlangt ihrer Natur nach zu dem Dynastisch-Genealogischen auch noch etwas poetisch Märchenhaftes. Und das kompliziert die Sache ganz erheblich. Sie können das sehen, wenn Sie die Katzlersche Kinderstube durchmustern oder sich die Namen der bisher Getauften ins Gedächtnis zurückrufen. Die Katzlersche Kronprinzeß heißt natürlich auch Ermyntrud. Und dann kommen ebenso selbstverständlich Dagmar und Thyra. Und danach begegnen wir einer Inez und einer Maud und zuletzt einer Arabella. Aber bei Arabella können Sie schon deutlich eine gewisse Verlegenheit wahrnehmen. Ich würde ihr, wenn sie sich wegen des Jüngstgeborenen an mich wendete, was Altjüdisches vorschlagen; das ist schließlich immer das Beste. Was meinen Sie zu Rebekka?«

Lorenzen kam nicht mehr dazu, Dubslav diese Frage zu beantworten, denn eben jetzt waren sie durch das Stück Bruchland hindurch und rasselten bereits über ­einen ein weiteres Gespräch unmöglich machenden Steindamm weg, scharf auf Rheinsberg zu.

Dubslav war in ausgezeichneter Laune. Das prachtvolle Herbstwetter, dazu das bunte Leben, alles hatte seine Stimmung gehoben, am meisten aber, daß er unterwegs und beim Passieren der Hauptstraße bereits Gelegenheit gehabt hatte, verschiedene gute Freunde zu begrüßen. Von der Kirche her schlug es zehn, als er vor dem als Wahllokal etablierten Gasthause »Zum Prinzregenten« hielt, in dessen Front denn auch bereits etliche mehr oder weniger verwegen aussehende Wahlmänner standen, alle bemüht, ihre Zettel an mutmaßliche Parteigenossen auszuteilen.

Drinnen im Saal war der Wahlakt schon im Gange. Hinter der Urne präsidierte der alte Herr von Zühlen, ein guter Siebziger, der die groteskesten Feudalansichten mit ebenso grotesker Bonhomie zu verbinden wußte, was ihm, auch bei seinen politischen Gegnern, eine große Beliebtheit sicherte. Neben ihm, links und rechts, saßen Herr von Storbeck und Herr van dem Peerenboom, letzterer ein Holländer aus der Gegend von Delft, der vor wenig Jahren erst ein großes Gut im Ruppiner Kreise gekauft und sich seitdem zum Preußen und, was noch mehr sagen wollte, zum »Grafschaftler« herangebildet hatte. Man sah ihn aus allen möglichen Gründen – auch schon um seines »van« willen – nicht ganz für voll an, ließ aber nichts davon merken, weil er der bei den meisten Grafschaftlern stark ins Gewicht fallenden Haupt­eigenschaft eines vor so und soviel Jahren in Batavia geborenen holländisch-javanischen Kaffeehändlers nicht entbehrte. Seines Nachbarn von Storbeck Lebensgeschichte war durchschnittsmäßiger. Unter denen, die sonst noch am Komiteetisch saßen, befand sich auch Katzler, den Ermyntrud (wie Dubslav ganz richtig vermutet) mit der Bemerkung, »daß im modernen bürgerlichen Staate Wählen so gut wie Kämpfen sei«, von ihrem Wochenbette fortgeschickt hatte. »Das Kind wird inzwischen mein Engel sein, und das Gefühl erfüllter Pflicht soll mich bei Kraft erhalten.« Auch Gundermann, der immer mit dabei sein mußte, saß am Komiteetisch. Sein Benehmen hatte was Aufgeregtes, weil er – wie Lorenzen bereits angedeutet – wirklich im geheimen gegen Dubslav intrigiert hatte. Daß er selber unterliegen würde, war klar und beschäftigte ihn kaum noch, aber ihn erfüllte

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