Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 114)
eingefangen?«
»Es war nicht so, Herr von Stechlin. Sie tun ihm hier ausnahmsweise unrecht. Er sprach überhaupt nicht über mich, sondern über sich, und machte mir dabei seine Confessions. Er gestand mir beispielsweise, daß er sich unglücklich fühle.«
»Warum?«
»Weil er in Quaden-Hennersdorf deplaciert sei.«
»Deplaciert. Das ist auch solch Wort; das kenn’ ich. Wenn man durchaus will, ist jeder deplaciert, ich, Sie, Krippenstapel, Engelke. Ich müßte Präses von einem Stammtisch oder vielleicht auch ein Badedirektor sein, Sie Missionar am Kongo, Krippenstapel Kustos an einem märkischen Museum und Engelke, nun, der müßte gleich selbst hinein, Nummer hundertdreizehn. Deplaciert! Alles bloß Eitelkeit und Größenwahn. Und dieser Koseleger mit dem Konsistorialratskinn! Er war Galopin bei ’ner Großfürstin; das kann er nicht vergessen, damit will er’s nun zwingen, und in seinem Ärger und Unmut spielt er sich auf den Charakter aus und versteigt sich, wie Sie sagen, bis zu Confessions und Gewagtheiten. Und wenn er nun reüssierte (Gott verhüt’ es), so haben Sie den Scheiterhaufenmann comme il faut. Und der erste, der rauf muß, das sind Sie. Denn er wird sofort das Bedürfnis spüren, seine Gewagtheiten von heute durch irgendein Brandopfer wieder wettzumachen.«
Unter diesem Gespräche waren sie schließlich aus dem Walde heraus und näherten sich einem beinah meilenlangen und bis an den Horizont sich ausdehnenden Stück Bruchland, über das mehrere mit Kropfweiden und Silberpappeln besetzte Wege strahlenförmig auf Rheinsberg zuliefen. Alle diese Wege waren belebt, meist mit Fußgängern, aber auch mit Fuhrwerken. Eins davon, aus gelblichem Holz, das hell in der Sonne blinkte, war leicht zu erkennen.
»Da fährt ja Katzler«, sagte Dubslav. »Überrascht mich beinah. Es ist nämlich, was Sie vielleicht noch nicht wissen werden, wieder was einpassiert; er schickte mir heute früh einen Boten mit der Nachricht davon, und daraus schloß ich, er würde nicht zur Wahl kommen. Aber Ermyntrud mit ihrer grandiosen Pflichtvorstellung wird ihn wohl wieder fortgeschickt haben.«
»Ist es wieder ein Mädchen?« fragte Lorenzen.
»Natürlich, und zwar das siebente. Bei sieben (freilich müssen es Jungens sein) darf man, glaub’ ich, den Kaiser zu Gevatter laden. Übrigens sind mehrere bereits tot, und alles in allem ist es wohl möglich, daß sich Ermyntrud über das beständige ›bloß Mädchen‹ allerlei Sorgen und Gedanken macht.«
Lorenzen nickte. »Kann mir’s denken, daß die Prinzessin etwas wie eine zu leistende Sühne darin sieht, Sühne wegen des von ihr getanen Schrittes. Alles an ihr ist ein wenig überspannt. Und doch ist es eine sehr liebenswürdige Dame.«
»Wovon niemand überzeugter ist als ich«, sagte Dubslav. »Freilich bin ich bestochen, denn sie sagt mir immer das Schmeichelhafteste. Sie plaudre so gern mit mir, was auch am Ende wohl zutrifft. Und dabei wird sie dann jedesmal ganz ausgelassen, trotzdem sie eigentlich hochgradig sentimental ist. Sentimental, was nicht überraschen darf; denn aus Sentimentalität ist doch schließlich die ganze Katzlerei hervorgegangen. Bin übrigens ernstlich in Sorge, wo Hoheit den richtigen Taufnamen für das Jüngstgeborene hernehmen wird. In diesem Stücke, vielleicht dem einzigen, ist sie nämlich noch ganz und gar Prinzessin geblieben. Und Sie, lieber Lorenzen, werden dabei sicherlich mit zu Rate gezogen werden.«
»Was ich mir nicht schwierig denken kann.«
»Sagen