Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 134)

Zigaretten. Oder lieber Zigarre?«

»Nein, Zigaretten ... Ja, sehen Sie, Stechlin, solche Mission oder wenn auch nur ein Bruchteil davon ...«

»Sagen wir Anhängsel.«

»... Solche Mission ist gerade das, was ich mir all mein Lebtag gewünscht habe. Bloß ›Erhörung kam nicht geschritten‹. Und doch ist gerad in unserm Regiment immer was los. Immer ist wer auf dem Wege nach Petersburg. Aber weiß der Teufel, trotz der vielen Schickerei, meine Wenigkeit ist noch nicht rangekommen. Ich denke mir, es liegt an meinem Namen. Hier hat ›Czako‹ ja auch schon einen Beigeschmack, einen Stich ins Komische, aber das Slawische drin gibt ihm in Berlin etwas Apartes, während es in Petersburg wahrscheinlich heißen würde: ›Czako, was soll das? Was soll Czako? Dergleichen haben wir hier echter und besser.‹ Ja, ich gehe noch weiter und bin nicht einmal sicher, ob man da drüben nicht Lust bezeugen könnte, in der Wahl von ›Czako‹ einen Witz oder versteckten Affront zu wittern. Aber wie dem auch sei, Winterpalais und Kreml sind mir verschlossen. Und nun gehen Sie nach London und sogar nach Windsor. Und Windsor ist doch nun mal das denkbar Feinste. Rußland, wenn Sie mir solche Frühstücksvergleiche gestatten wollen, hat immer was von Astrachan, England immer was von Colchester. Und ich glaube, Colchester steht höher. In meinen Augen gewiß. Ach, Stechlin, Sie sind ein Glückspilz, ein Wort, das Sie meiner erregten Stimmung zugute halten müssen. Ich werde wohl an der Majorsecke scheitern, wegen verschiedener Mankos. Aber sehn Sie, daß ich das einsehe, das könnte das Schicksal doch auch wieder mit mir versöhnen.«

»Czako, Sie sind der beste Kerl von der Welt. Es ist eigentlich schade, daß wir solche Leute wie Sie nicht bei unserm Regiment haben. Oder wenigstens nicht genug. ›Fein‹ ist ja ganz gut, aber es muß doch auch mal ein Donnerwetter dazwischenfahren, ein Zynismus, eine Bosheit; sie braucht ja nicht gleich einen Giftzahn zu haben. Übrigens, was die Patentheit angeht, so fühl’ ich deutlich, daß ich auch nur so gerade noch passiere. Nehmen Sie beispielsweise bloß das Sprachliche. Wer heutzutage nicht drei Sprachen spricht, gehört in die Ecke ...«

»Sag’ ich mir auch. Und ich habe deshalb auch mit dem Russischen angefangen. Und wenn ich dann so dabei bin und über meine Fortschritte beinah erstaune, dann berapple ich mich momentan wieder und sage mir: ›Courage gewonnen, alles gewonnen.‹ Und dabei lass’ ich dann zu meinem weitern Trost all unsre preußischen Helden zu Fuß und zu Pferde an mir vorüberziehen, immer mit dem Gefühl einer gewissen wissenschaftlichen und mitunter auch moralischen Überlegenheit. Da ist zuerst der Derfflinger. Nun, der soll ein Schneider gewesen sein. Dann kam Blücher – der war einfach ein ›Jeu‹er. Und dann kam Wrangel und trieb sein verwegenes Spiel mit ›mir und mich‹.«

»Bravo, Czako. Das ist die Sprache, die Sie sprechen müssen. Und Sie werden auch nicht an der Majorsecke scheitern. Eigentlich läuft doch alles bloß darauf hinaus, wie hoch man sich selber einschätzt. Das ist freilich eine Kunst, die nicht jeder versteht. Das Wort vom Alten Fritz: ›Denk Er nur immer, daß Er hunderttausend Mann

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