Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 166)

wir ja die ganze hohe Obrigkeit«, sagte Dubslav. »Engelke kann ich auch mitrechnen, der regiert mich, is also eigentlich die Feudalitätsspitze.«

Während dieser Worte waren die Herrschaften an die Gruppe herangetreten.

»Freut mich, daß ich Sie treffe, Kluckhuhn. Ich denke, Sie begleiten uns ... Frau Gräfin, darf ich Ihnen hier unsern Dorfherrscher vorstellen? Schulze Kluckhuhn, alter Vierundsechziger.«

Und nun ordnete sich der Zug. Dubslav und Uncke schlossen ab, Woldemar, Armgard und Tante Adelheid hielten die Mitte; Melusine schritt voran, Rolf Krake neben ihr.

»Ich bin froh«, sagte Melusine, »Sie bei dieser Partie mit dabei zu sehn. Der alte Herr von Stechlin hat mir schon von Ihnen erzählt, und daß Sie vierundsechzig mit dabei gewesen. Und ich weiß auch Ihren Namen; das heißt den zweiten. Und ich darf sagen, ich freue mich immer, wenn ich so was Hübsches höre.«

»Ach, Rolf Krake«, lachte Kluckhuhn. »Ja, Frau Gräfin, wer den Schaden hat, darf für den Spott nicht sorgen. Das heißt, von ›Schaden‹ darf ich eigentlich nicht reden, den hab’ ich nicht so recht davon gehabt; ich bin nicht mal angeschossen worden. Und doch is so was billig, wenn’s erst losgeht.«

»Ja, Schulze Kluckhuhn, unsereinem ist so was leider immer verschlossen oder, wie die Leute hier sagen, verpurrt. Und doch ist das das eigentliche Leben. So immer bloß einsitzen und ein bißchen Scharpie zupfen, das ist gar nichts. Mit dabei sein, das macht glücklich. Es war aber trotzdem wohl ein eigenes Gefühl, als Sie da so von Düppel nach Alsen rüberfuhren und das unheimliche Schiff, der Rolf Krake, so dicht daneben lag.«

»Ja, das war es, Frau Gräfin, ein ganz eigenes Gefühl. Und mitunter erscheint mir der Rolf Krake noch im Traum. Und is auch nicht zu verwundern. Denn Rolf Krake war wie ein richtiges Gespenst. Und wenn solch Gespenst einen packt, ja, da is man weg ... Und dabei bleib’ ich, Frau Gräfin, sechsundsechzig war nicht viel und siebzig war auch nicht viel.«

»Aber die großen Verluste ...«

»Ja, die Verluste waren groß, das ist richtig. Aber Verluste, Frau Gräfin, das is eigentlich gar nichts. Natürlich, wen es trifft, für den is es was. Aber ich meine jetzt das, was man dabei so das Moralische nennt; und darauf kommt es an, nicht auf die Verluste, nicht auf viel oder wenig. Wenn einer eine Böschung raufklettert, und nu steht er oben und schleicht sich ran, immer mit ’nem Pulversack und ’nem Zünder in der Hand, und nu legt er an, und nu fliegt alles in die Luft und er mit. Und nu ist die Festung oder die Schanze offen. Ja, Frau Gräfin, das ist was. Und das hat unser Pionier Klinke getan. Der war moralisch. Ich weiß nicht, ob Frau Gräfin mal von ihm gehört haben, aber dafür leb’ ich und sterb’ ich: immer bloß das Kleine, da zeigt sich’s, was einer kann. Wenn ein Bataillon ran muß un ich stecke mitten drin, ja, was will ich da machen? Da muß ich mit. Und baff, da lieg’ ich. Und nu bin ich ein Held. Aber eigentlich bin ich keiner. Es ist alles

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