Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 167)
bloß ›Muß‹, und solche Mußhelden gibt es viele. Das is, was ich die großen Kriege nenne. Klinke mit seinem Pulversack, ja, der war bloß was Kleines, aber er war doch groß. Und ebenso (wenn er auch unser Feind war) dieser Rolf Krake.«
So ging historisch-retrospektiv das Gespräch an der Tête, während Dubslav und Uncke, die den Zug abschlossen, mit ihrem Thema mehr in der Gegenwart standen.
»Is mir lieb, Uncke, Sie mal wieder zu treffen. Seit Rheinsberg hab’ ich Sie nicht mehr gesehn. Ich denke mir, Torgelow is nu wohl schon im besten Gange. So wie Bebel. Ich kriege natürlich jeden Tag meine Zeitung, aber es is mir immer zuviel und das große Format und das dünne Papier. Da kuck ich denn nich immer ganz genau zu. Hat er denn schon gesprochen?«
»Ja, Herr Major, gesprochen hat er schon. Aber nich viel. Un war auch kein rechter Beifall. Auch nich mal bei seinen eignen Leuten.«
»Er wird wohl die Sache noch nicht recht weghaben. Ich meine das, was sie jetzt das Parlamentarische nennen. Das schad’t aber nichts und ist eigentlich egal. Wichtiger is, wie sie hier in unserm Ruppiner Winkel, in unserm Rheinsberg-Wutz über ihn denken. Sind sie denn da mit ihm zufrieden?«
»Auch nicht, Herr Major. Sie sagen, er sei zweideutig.«
»Ja, Uncke, so heißt es überall. Das is nu mal so, das is nicht zu ändern. In Frankreich heißt es immer gleich ›Verrat‹, und hier sagen sie ›zweideutig‹. Da war auch einer von uns, den ich nicht nennen will, von dem hieß es auch so ...«
»Von dem hieß es auch so. Ja, Herr Major. Und Pyterke, der immer gut Bescheid weiß, der sagte mir schon damals in Rheinsberg: ›Uncke, glauben Sie mir, da hat sich der Herr Major eine Schlange an seinem Busen großgezogen.‹«
»Kann ich mir denken; klingt ganz nach Pyterke. Der spricht immer so gebildet. Aber is es auch richtig?«
»Is schon richtig, Herr Major. Herr Major denken immer das Gute von ’nem Menschen, weil Sie so viel zu Hause sitzen und selber so sind. Aber wer so rum kommt wie ich. Alle lügen sie. Was sie meinen, das sagen sie nich, und was sie sagen, das meinen sie nich. Is kein Verlaß mehr; alles zweideutig.«
»Ja, so rund raus, Uncke, das war früher, aber das geht jetzt nicht mehr. Man darf keinem so alles auf die Nase binden. Das is eben, was sie jetzt ›politisches Leben‹ nennen.«
»Ach, Herr Major, das mein’ ich ja gar nicht. Das Politische ... Jott, wenn einer sich ins Politische zweideutig macht, na, dann muß ich ihn anzeigen, das is Dienst. Darum gräm’ ich mich aber nich. Aber was nich Dienst is, was man so bloß noch nebenbei sieht, das kann einen mitunter leid tun. So bloß als Mensch.«
»Aber, lieber Uncke, was is denn eigentlich los? Wenn man Sie so hört, da sollte man ja wahrhaftig glauben, es ginge zu Ende ... Nu ja, in der Welt draußen, da klappt nich immer alles. Aber so im Schoß der Familie ...«
»Jott, Herr Major, das is es ja eben. In diesem Schoß