Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 202)

hat Gott ein Einsehen.«

»Er ist doch wohl eigentlich der beste Assistenzarzt.«

»Und vor allem der billigste. Der andre, den ich mir aus Berlin habe verschreiben müssen (ach, und so viel Schreiberei), der ist teurer. Und meine Reise kommt mir ohnedies schon teuer genug.«

»Aber wohin denn, Doktor?«

»Nach Pfäffers.«

»Pfäffers? Kenn’ ich nicht. Und was wollen Sie da? Warum? Wozu?«

»Meine Frau laboriert an einem Rheumatismus, hochgradig, schon nicht mehr schön. Und da ist denn Pfäffers der letzte Trumpf. Schweizer Bad mit allen Schikanen und wahrscheinlich auch mit allen Kosten. Ein Granseer, der allerdings für Geld gezeigt werden kann, war mal an diesem merkwürdigen Ort und hat mir denn auch ’ne Beschreibung davon gemacht. Habe natürlich auch noch im Baedeker nachgeschlagen und unter anderm einen Fluß da verzeichnet gefunden, der Tamina heißt. Erinnert ein bißchen an Zauberflöte und klingt soweit ganz gut. Aber trotzdem eine tolle Geschichte, dies Pfäffers. Soweit es nämlich als Bad in Betracht kommt, ist es nichts als ein Felsenloch, ein großer Backofen, in den man hineingeschoben wird. Und da hockt man denn, wie die Indianer hocken, und die Dämpfe steigen siedeheiß von unten herauf. Wer da nicht wieder zustande kommt, der kann überhaupt einpacken. Übrigens will ich für meine Person gleich mit hineinkriechen. Denn das darf ich wohl sagen, wer so fünfunddreißig Jahre lang durch Kreis Gransee hin und her kutschiert ist, mitunter bei Ostwind, der hat sich sein Gliederreißen ehrlich verdient. Sonderbar, daß der Hauptteil davon auf meine Frau gefallen ist.«

»Ja, Sponholz, in einer christlichen Ehe ...«

»Freilich, Herr Major, freilich. Wiewohl das mit ›christlicher Ehe‹ auch immer bloß soso ist. Da hatten wir, als ich noch Militär war, einen Kompaniechirurgus, richtige alte Schule, der sagte, wenn er von so was hörte: ›Ja, christliche Ehe, ganz gut, kenn’ ich. Is wie Schinken in Burgunder. Das eine is immer da, aber das andere fehlt.‹«

»Ja«, sagte Dubslav, »diese richtigen alten Kompaniechirurgusse, die hab’ ich auch noch gekannt. Blutige Zyniker, jetzt leider ausgestorben ... Und in solchem Pfäfferschen Backofen wollen Sie sechs Wochen zubringen?«

»Nein. Herr von Stechlin, nicht so lange. Bloß vier, höchstens vier. Denn es strengt sehr an. Aber wenn man nu doch mal da ist, ich meine in der Schweiz und da herum, wo sie stellenweise schon Italienisch sprechen, da will man doch schließlich auch gern in das gelobte Land Italia hineinkucken. Und da haben wir denn also, meine Frau und ich, vor, von diesem Pfäffers aus erst noch durch die Viamala zu fahren, den Splügen hinauf oder auf irgendeinen andern Paß. Und wenn wir dann einen Blick in all die Herrlichkeit drüben hineingetan haben, dann kehren wir wieder um, und ich für meine Person ziehe mir wieder meinen grauen Mantel an (denn für die Reise hab’ ich mir einen neuen Paletot bauen lassen) und kutschiere wieder durch Kreis Gransee.«

»Na, Sponholz, das freut mich aber wirklich, daß Sie mal rauskommen. Und bloß wenn Sie durch die Viamala fahren, da müssen Sie sich in acht nehmen.«

»Waren Sie denn mal da, Herr Major?«

»Bewahre. Meine Weltfahrten, mit ganz schwachen Ausnahmen, lagen immer nur zwischen Berlin

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