Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 206)
ausgedrückt haben, in der Krippenstapelschen Lehrmethode diesen Ernst des Glaubens arg vernachlässigt.«
Dubslav wiegte den Kopf hin und her und hätte trotz allen Respekts vor dem Vertreter einer kirchlichen Behörde wahrscheinlich ziemlich scharf und spitz geantwortet, wenn ihm nicht alles, was er da hörte, gleichzeitig in einem heiteren Licht erschienen wäre. Krippenstapel, sein Krippenstapel, er, der den Alten Fritzen so gut wie den Katechismus, aber den Katechismus auch reichlich so gut wie den Alten Fritzen kannte – Krippenstapel, sein großartiger Bienenvater, sein korrespondierendes Mitglied märkisch-historischer Vereine, die Seele seines »Museums«, sein guter Freund, dieser Krippenstapel sollte den »Ernst des Glaubens« verkannt haben, bei ihm sollte der Seminaristenhochmut zu gemeingefährlichem Ausbruch gekommen sein. Wohl entsann er sich, in eigenster Person (was ihn in diesem Augenblick ein wenig verstimmte) gelegentlich sehr Ähnliches gesagt zu haben. Aber doch immer nur scherzhaft. Und wenn zwei dasselbe tun, so ist es nicht mehr dasselbe. Traf dieser Satz je zu, so hier. Er erhob sich also mit einiger Anstrengung von seinem Platz, ging auf Koseleger zu, schüttelte ihm die Hand und sagte: »Herr Superintendent, so wie Sie’s da sagen, so kann es nicht sein. Von richtigen Altlutheranern gibt es hier überhaupt nichts, und am wenigsten in Globsow; die glauben sozusagen gar nichts. Ich wittere da was von Intrige. Da stecken andere dahinter. Bei meinem alten Baruch ist der Pferdefuß rausgekommen, aber bei meinem alten Krippenstapel ist er nicht rausgekommen und wird auch nicht rauskommen, weil er überhaupt nicht da ist. Meinen alten Krippenstapel, den kenn’ ich.«
Koseleger, Weltmann, wie er war, lenkte rasch ein, sprach von Konventiklerbeschränktheit und gab die Möglichkeit einer Intrige zu.
»Natürlich wird es einem schwer, in diesem Erdenwinkel an derlei Dinge zu glauben, denn ›Intrigue‹ zählt ganz eminent zu den höheren Kulturformen. Intrige hat hier in unserer alten Grafschaft, glaub’ ich, noch keinen Boden. Aber andrerseits ist es doch freilich wahr, daß heutzutage die Verwerflichkeiten, ja selbst die Verbrechen und Laster, nicht bloß im Gefolge der Kultur auftreten, sondern umgekehrt ihr voranschreiten als beklagenswerte Herolde falscher Gesittung? Bedenken Sie, was wir neuerdings in unsern Äquatorialprovinzen erlebt haben. Die Zivilisation ist noch nicht da, und schon haben wir ihre Greuel. Man erschauert, wenn man davon liest, und freut sich der kleinen und alltäglichen Verhältnisse, drin der Wille Gottes uns gnädig stellte.«
Nach diesen Worten, die was von einem guten Abgang hatten, erhob sich Koseleger, und der Alte, seinerseits seinen Arm in den des Superintendenten einhakend, »um sich«, wie er sagte, »auf die Kirche zu stützen«, begleitete seinen Besuch bis wieder auf die Rampe hinaus und grüßte noch mit der Hand, als der Wagen schon über die Bohlenbrücke fuhr. Dann wandte er sich rasch an Engelke, der neben ihm stand, und sagte: »Engelke, schade, daß ich mit dir nicht wetten kann. Lust hätt’ ich. Heute kommt noch wer, du wirst es sehn. Eine Woche lang läßt sich keine Katze blicken, aber wenn unser Schicksal erst mal ’nen Entschluß gefaßt hat, dann kann es sich auch wieder nicht genug tun. Man gewinnt dreimal das große Los, oder man stößt