Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 223)
bei seinem Plan mitwirken müßten.
Agnes schlief in einer nebenan aufgestellten eisernen Bettstelle. Dubslav, geradeso wie seine Schwester, hatte das etwas auffällig herausgeputzte Kind bei seinem Erscheinen im Herrenhause gar nicht mehr gesehen; es trug ein langes himmelblaues Wollkleid ohne Taille, dazu Knöpfstiefel und lange rote Strümpfe – lauter Dinge, die Karline schon zu letzten Weihnachten geschenkt hatte. Gleich damals, am ersten Feiertag, hatte das Kind den Staat denn auch wirklich angezogen, aber bloß so still für sich, weil sie sich genierte, sich im Dorfe damit zu zeigen; jetzt dagegen, wo sie bei dem gnäd’gen Herrn in Krankenpflege gehen sollte, jetzt war die richtige Zeit dafür da.
Die Nacht verging still; niemand war gestört worden. Um sieben erst kam Engelke und sagte: »Nu, lütt Deern, steih upp, is all seben.« Agnes war auch wirklich wie der Wind aus dem Bett, fuhr mit einem mitgebrachten Hornkamm, dem ein paar Zähne fehlten, durch ihr etwas gekraustes langes Blondhaar, putzte sich wie ein Kätzchen und zog dann den himmelblauen Hänger, die roten Strümpfe und zuletzt auch die Knöpfstiefel an. Gleich danach brachte ihr Engelke einen Topf mit Milchkaffee, und als sie damit fertig war, nahm sie ihr Strickzeug und ging in das große Zimmer nebenan, wo Dubslav bereits in seinem Lehnstuhl saß und auf seine Schwester wartete. Denn um acht nahmen sie das erste Frühstück gemeinschaftlich.
»So, Agnes, das is recht, daß du da bist. Hast du denn schon einen Kaffee gehabt?«
Agnes knickste.
»Nu setz dich da mal ans Fenster, daß du bei deiner Arbeit besser sehn kannst; du hast ja schon dein Strickzeug in der Hand. Solch junges Ding wie du muß immer was zu tun haben, sonst kommt sie auf dumme Gedanken. Nicht wahr?«
Agnes knickste wieder, und da sie sah, daß ihr der Alte weiter nichts zu sagen hatte, ging sie bis an das ihr bezeichnete Fenster, dran ein länglicher Eichentisch stand, und fing an zu stricken. Es war ein sehr langer Strumpf, brandrot und, nach seiner Schmalheit zu schließen, für sie selbst bestimmt.
Sie war noch nicht lange bei der Arbeit, als Adelheid eintrat und auf ihren im Lehnstuhl sitzenden Bruder zuschritt. Bei der geringen Helle, die herrschte, traf sich’s, daß sie von dem Gast am Fenster nicht recht was wahrnahm. Erst als Engelke mit dem Frühstück kam und die plötzlich geöffnete Tür mehr Licht einfallen ließ, bemerkte sie das Kind und sagte: »Da sitzt ja wer. Wer ist denn das?«
»Das ist Agnes, das Enkelkind von der Buschen.«
Adelheid bewahrte mit Mühe Haltung. Als sie sich wieder zurechtgefunden, sagte sie: »So, Agnes. Das Kind von der Karline?«
Dubslav nickte.
»Das ist mir ja ’ne Überraschung. Und wo hast du sie denn, seit ich hier bin, versteckt gehalten? Ich habe sie ja die ganze Woche über noch nicht gesehn.«
»Konntest du auch nicht, Adelheid; sie ist erst seit gestern abend hier. Mit Engelke ging das nicht mehr, wenigstens nicht auf die Dauer. Er ist ja so alt wie ich. Und immer raus in der Nacht und rauf und runter und mich umdrehn und heben. Das konnt’ ich nich mehr mitansehn.«
»Und