Ungekürztes Werk "Der Stechlin" von Theodor Fontane (Seite 229)
lieber als gar keine.
Kein Zweifel, der alte Schloßherr auf Stechlin sehnte sich nach Menschen, und da waren es denn wahre Festtage, wenn Besucher aus Näh’ oder Ferne sich einstellten.
Eines Tages – es schummerte schon – erschien Krippenstapel. Er hatte seinen besten Rock angezogen und hielt ein übermaltes Gefäß, mit einem Deckel darauf, in seinem linken Arm.
»Nun, das ist recht, Krippenstapel. Ich freue mich, daß Sie mal nachsehn, ob unser Museum oben noch seinen ›Chef‹ hat. Ich sage ›Chef‹. Der Direktor sind Sie ja selber. Und nun kommen Sie auch gleich noch mit ’ner Urne. Hat gewiß Ihr Freund Tucheband irgendwo ausgegraben. Oder is es bloß ’ne Terrine? Himmelwetter, Krippenstapel, Sie werden mir doch nicht ’ne Krankensuppe gekocht haben?«
»Nein, Herr Major, keine Krankensuppe. Gewiß nicht. Und doch is es einigermaßen so was. Es ist nämlich ’ne Wabe. Habe da heute mittag einen von meinen Stöcken ausgenommen und wollte mir erlaubt haben, Ihnen die beste Wabe zu bringen. Es ist beinah so was wie der mittelalterliche Zehnte. Der Zehnte, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, war eigentlich was Feineres als Geld.«
»Find’ ich auch. Aber die heutige Menschheit hat für so was Feines gar keinen Sinn mehr. Immer alles bar und nochmal bar. Oh, das gemeine Geld! Das heißt, wenn man keins hat; wenn man’s hat, ist es soweit ganz gut. Und daß Sie gleich an Ihren alten Patron – ein Wort, das übrigens vielleicht zu hoch gegriffen ist und unser Verhältnis nicht recht ausdrückt – gedacht haben! Lorenzen wird es hoffentlich nicht übelnehmen, daß ich Sie, wenn ich mich Ihren ›Patron‹ nenne, so gleichsam avancieren lasse. Ja, das mit der Wabe. Freut mich aufrichtig. Aber ich werde mich wohl nicht drüber hermachen dürfen. Immer heißt es ›das nicht‹. Erst hat mir Sponholz alles verboten und nu die Buschen, und so leb’ ich eigentlich bloß noch von Bärlapp und Katzenpfötchen.«
»Am Ende geht es doch«, sagte Krippenstapel. »Ich weiß wohl, in eine richtige Kur darf der Laie nicht eingreifen. Aber der Honig macht vielleicht ’ne Ausnahme. Richtiger Honig ist wie gute Medizin und hat die ganze Heilkraft der Natur.«
»Is denn aber nicht auch was drin, was besser fehlte?«
»Nein, Herr Major. Ich sehe die Bienen oft schwärmen und sammeln, und seh’ auch, wie sie sammeln und wo sie sammeln. Da sind voran die Linden und Akazien und das Heidekraut. Nu, die sind die reine Unschuld; davon red’ ich gar nicht erst. Aber nun sollten sie die Biene sehn, wenn sie sich auf eine giftige Blume, sagen wir zum Beispiel auf den Venuswagen, niederläßt. Und in jedem Venuswagen, besonders in dem roten (aber doch auch in dem blauen), sitzt viel Gift.«
»Venuswagen; kann ich mir denken. Und wie sammelt da die Biene?«
»Sie nimmt nie das Gift; sie nimmt immer bloß die Heilkraft.«
»Na, Sie müssen es wissen, Krippenstapel. Und auf Ihre Verantwortung hin will ich mir den Honig auch schmecken lassen, und die Buschen muß sich drin finden und sich wohl oder übel zufriedengeben. Übrigens fällt mir bei der Alten natürlich auch das Kind ein. Da sitzt